Der Überraschungsmann
zumuten …« Lisas Stimme bebte gefährlich. »Ihr habt schon so irre viel für mich getan. Ich will dich nicht noch mehr beanspruchen, Barbara. Jetzt, wo du mit deinem Bein …«
»Jetzt aber bitte nicht heulen!«, unterbrach Volker sie streng. »Irgendwann muss es mal gut sein mit den Schuldgefühlen und der Heulerei.« Er sah Lisa fast schon böse an. Diesen Adlerblick kannte ich sonst nur von Leonore.
»Sind wir jetzt die Paten oder nicht?«, fragte ich schnell und warf Volker einen vorsichtigen Seitenblick zu.
»Ja, aber …« Lisa klang etwas gepresst.
»Kein Aber. Ich hab das schließlich mehr oder weniger forciert«, nahm ich die Schuld auf mich und gestattete mir ein kleines Lächeln.
»Genau«, sagte Volker. »Barbara wollte das so.«
Ich bemerkte wieder dieses ganz leichte nervöse Zucken an seinem Augenlid.
»Also, die Würfel sind gefallen!«, sagte er entschlossen. Und an Lisa gewandt mit fast warnendem Unterton: »Ein Jahr. Danach sehen wir weiter.«
»Sag mal, kommst du in London auch finanziell über die Run den?« Ich war total angespannt. Der Augenblick war gekommen.
Wir standen in Lisas Reich, dem ehemaligen Kinderzimmer unserer Töchter, und ich half ihr beim Packen. Ich humpelte noch ein bisschen, aber dank Volkers ärztlichen Künsten war mein Fuß schon wieder gut verheilt. Klein Fanny lag in ihrer Babywippe und spielte ganz allerliebst mit ihren Zehen. Immer wenn sie sich bewegte, erklangen dort zwei Glöckchen. Die hatte Volker dort angebracht, der sein kleines Patenkind wirklich voll ins Herz geschlossen hatte.
»Doch, ich glaube schon. Außerdem gibt es ja Gage.« Lisa grinste breit, als sie sah, was ich da tat. »Die Tangaslips musst du nun wirklich nicht falten!« Sie riss mir die spitzenbesetzten Winzigkeiten aus der Hand und warf sie in ihren Koffer. Da lagen sie nun zwischen den Mozart- und Puccini-Noten, Abend kleidern, Schminkutensilien, Schuhen, iPod, Sportklamotten und Seidennachthemdchen. Wo sie dieses ganze wun derbare Zeug herhatte! Wenn ich da an meine praktische Baum wollwäsche dachte …
»Und … zahlt dir Sven inzwischen Alimente?« Nervös sah ich mich nach Volker um. Der hatte immer wieder gesagt, ich solle mich da raushalten.
Aber meine Neugierde war größer.
»Wie?« Lisa verschwand fast gänzlich in ihrem Wäscheschrank und wühlte darin. Einzelne Teile flogen in den Koffer, andere auf den Boden.
»Wenigstens das muss er tun!«, beharrte ich. »Wenn er sich schon nicht um Fanny kümmert. «
Lisa wirkte plötzlich ganz steif. »Du kannst das Geld gern haben!«, stieß sie gereizt hervor und presste ein Trägerhemdchen an ihre Brust. »Schließlich kümmerst DU dich ja um Fanny!«
Dieser Gefühlsausbruch traf mich wie ein Kinnhaken. »Wie bitte? Du glaubst, ICH will das Geld?« Ich lehnte mich an die Wand und atmete schwer.
»Warum fragst du sonst ständig danach?«
Ich glotzte sie begriffsstutzig an.
»Ja, sag mal, hast du mich jetzt so missverstanden …?« Das war doch alles surreal. Lisa sah mich plötzlich mit einem Blick an, als wollte sie sagen: »Wie blöd bist du eigentlich!«
Ich streckte die Hand nach ihr aus und strich ihr über den Arm. »Ich will, dass es DIR da drüben in London gut geht! Weil du Klamotten brauchst! Und vernünftiges Essen und so!«
Lisas eben noch harte Augen wurden weich.
»Entschuldige.« Sofort fiel alle Spannung von ihr ab. Sie legte ihre Hand auf meine Schulter. »Ich dachte wirklich …«
»Aber Lisa, du müsstest mich doch kennen.«
»Tut mir leid, Barbara. Ich bin das einfach von zu Hause so gewohnt …« Verlegen wandte sie sich ab und wühlte weiterhin sinnlos in ihrem Wäscheschrank herum. »Meine Mutter hätte nämlich das Geld für Fanny gefordert. Wenn sie Fanny überhaupt je genommen hätte.«
»Aber ich BIN nicht deine Mutter.«
»Ich weiß.« Seufzend sank Lisa in die Hocke. »Du bist tausendmal besser als sie.«
»Das darfst du nicht sagen, Lisa!« Ohne die Frau zu kennen, fühlte ich mich als Mutter mit ihr solidarisch. Sich vorzustellen, dass eine meiner Töchter zu einer anderen Frau jemals so etwas sagen würde! Das gab mir einen Stich.
»Es tut mir so leid. Ich bin eine blöde Kuh.« Ihre Stimme brach.
»Nicht schon wieder weinen, Lisa.« Ich legte den Arm um sie. »Ich weiß, wie viel du durchgemacht hast. Zu Hause in deinem Dorf warst du nichts wert, und dann hat Sven dich so schnöde sitzen lassen. Und trotzdem hast du dich immer wieder zusammengerissen und tapfer deinen Weg
Weitere Kostenlose Bücher