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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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war. DENKSTE !
    Ich warf mich auf die Seite, starrte in die Nacht. Ich sah mich den Kinderwagen durch die Stadt schieben. Behängt mit Einkaufstüten. Dann hörte ich plötzlich Stimmen.
    »Nein, welche Ähnlichkeit mit Ihren anderen Kindern, ganz wie aus dem Gesicht geschnitten!«
    Fanny.
    Meine Kehle war wie zugeschnürt.
    Nein, das war doch nicht … Das war doch nicht möglich! Fieberhaft begann ich zu rechnen. Fanny war jetzt ein Jahr alt, plus neun Monate … Nein, Quatsch. Da war sie ja noch nicht einmal eingezogen. Da KANNTEN wir uns ja noch gar nicht. Blödsinn.
    Ich grübelte und grübelte. Volker neben mir atmete gleichmäßig. Seine vielen Kongresse in letzter Zeit. Seine spontanen Wandertouren mit Freund Felix.
    »Nicht ins Gesicht!«
    Er hatte sich verändert. Wich er mir aus? Oder war er nur überarbeitet? Oder war ich wirklich blind gewesen? Hatte ich unverdaute Altlasten? War ich eine Verdrängungskünstlerin?
    »Diese Ähnlichkeit!«, hallte es in meinen Ohren.
    Ich starrte in die Dunkelheit. Vor unserem Schlafzimmerfenster türmten sich schwarze Nachtwolken. Ab und zu schimmerte die schmale Mondsichel hindurch, um gleich darauf wieder in völliger Finsternis zu verschwinden. Mein Herz wollte sich nicht wieder beruhigen. Blöde Wiebke! Dass sie es doch tatsächlich geschafft hatte, mir den Schlaf zu rauben! Ich konnte nicht einschlafen. Ich konnte nicht mal in diesem Bett liegen bleiben. Wasser. Ich brauchte einen Schluck Wasser. Mit einem schrecklichen Knoten im Magen schlich ich barfuß die Treppe hinunter und vermied es, auf die knarrende Treppenstufe zu treten. Jetzt bloß niemanden wecken! Nur noch mal schnell nach diesem komischen Beleg schauen. Wie ein Dieb huschte ich ins Wohnzimmer. Es roch nach kaltem Wachs. Leise öffnete ich die Tür zum Vorhaus. Sein Mantel. Meine Hand glitt hinein. Der Zettel. Ich zog ihn millimeterweise heraus, glättete ihn, schlich in die Küche und machte Licht.
    Das Chaos aus aufgetürmten Tellern, halb leeren Gläsern, und vollen Aschenbechern übersah ich; ich starrte nur auf das Papier in meiner Hand. Die zitterte.
    386,95 Euro.
    Überwiesen heute. Von Volkers auf Lisas Konto. Per Dauerauftrag.
    Ich riss die Augen auf.
    DAUERAUFTRAG !! Das bedeutete, diese Summe floss … regelmäßig?! Monatlich?!
    »Volker, nein!«, flüsterte ich. »Was hast du für Geheimnisse vor mir?« Die Computerschrift verschwamm vor meinen Augen. Unter Verwendungszweck stand »vereinbarungsgemäß«.
    Ich atmete tief aus. Das musste gar nichts heißen. Da stand nicht »Unterhalt«. Im Gegenteil! Ich hatte ihn ja um Unterstützung für Lisa gebeten! Vielleicht zahlte er ihr ja in London einen Teil der Miete? Ich schlug mir mit der flachen Hand vor die Stirn. Genau! Das war es! Es war alles in Ordnung. Er griff Lisa finanziell unter die Arme.
    Aber irgendwas war faul. Genau, wie Wiebke gesagt hatte. Mein Kopf brummte, schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen.
    Nein. Es war NICHT alles in Ordnung. Diese Summe war so … krumm. Warum überwies er nicht dreihundert Euro? Oder vierhundert? Warum genau diese Summe?
    Schau doch nach, oder bist du zu feige? Wiebke schien in der Ecke zu sitzen und mich mit ihren flackernden Blicken zu foltern.
    Ich weiß nicht, wie lange ich da im Nachthemd in der Küche saß, aber irgendwann hatte ich die Kraft, mich auf wackeligen Beinen in sein Arbeitszimmer hinaufzuschleppen. Ich wollte ihm nicht hinterherspionieren. Das war gegen meine Ehre. So eine Ehefrau war ich nicht. Aber in meiner Verzweiflung googelte ich das Wort »Unterhalt«. Nur so. In der Hoffnung, eine ganz andere Summe vorzufinden.
    »Unterhaltspflicht. Die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihrem Kind ergibt sich aus dem Gesetz und zeichnet sich durch grundlegende Besonderheiten aus. Diese werden … bla bla bla … abhängig vom Einkommen des zahlungspflichtigen Elternteils … im Folgenden eruiert.« Ungeduldig drückte ich auf den Link zur »Düsseldorfer Tabelle«. Fieberhaft suchte ich genau nach dem Betrag: 386,95 Euro. Doch vor meinem inneren Auge sah ich immer noch in schwarzen Lettern genau diesen Betrag. Im Schaufenster neben der Handtasche. Das konnte doch kein Zufall sein! Oder etwa doch? Ich konzentrierte mich wieder auf den Bildschirm. »Die folgende Tabelle erhält neben dem normalen Wert auch denjenigen Zahlbetrag, der sich nach Abzug des Kindergelds … Bei Minderjährigen wird das Kindergeld zur Hälfte und bei volljährigen Kindern voll abgezogen … Altersstufen in

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