Der Überraschungsmann
schläfrig, als ich endlich völlig erschöpft unter die Bettdecke schlüpfte. »Was du dir für eine Mühe gegeben hast! Ich bin echt stolz auf dich!«
»Es hat mir Spaß gemacht«, beteuerte ich gähnend und kuschelte mich an ihn. »Hast du Wiebke gesehen? Sie wirkte so zufrieden! Und deine Mutter haben wir heute Abend auch glücklich gemacht.« Ich starrte durch unser Panoramafenster in die verschneite Nacht hinaus.
Es folgte eine winzige Pause, in der ich schon fürchtete, Volker sei einfach eingeschlafen, doch dann sagte er: »Morgen helfe ich dir beim Aufräumen.« Volkers Arm glitt zu meiner Nachttischlampe und löschte sie. »Gute Nacht, Herzerl.« Ein feuchter Kuss, der nach sehr viel Wein roch, streifte meine Wange.
»Danke für die vielen schönen Geschenke«, flüsterte ich. »Deine Mutter hat sich über das Festspielabo riesig gefreut!«
»Schweineteure Angelegenheit«, grunzte Volker im Wegdämmern. »Aber sie ist halt so musikverrückt.«
»Und die Samtstola für Lisa!«, sinnierte ich und versuchte, mich an die Flut von Geschenken zu erinnern. »Die muss Leonore aber auch eine Stange Geld gekostet haben!«
»Die war aus ihrer Mottenkiste«, murmelte Volker müde. »Gu te Nacht, Herzerl. Ich kann die Augen nicht mehr aufhalten.«
» Und die bezaubernden Geschenke aus London, die Lisa in ihrem Koffer mitgeschleppt hat«, sagte ich beiläufig.
»Ja. Verdammt schwer, das Ding.«
Einen Moment lang sagte keiner von uns ein Wort.
»Du, Volker?« Mein Herz pochte, ich richtete mich wieder auf und betrachtete das Profil meines Mannes auf dem Nachbarkissen.
»Was ist denn noch?«
»Hast du nicht etwas … ähm … Wichtiges vergessen?« Ich stolperte über meine Worte und fand, dass ich noch nie im Leben penetranter gewesen war. Volker verstand mich auch prompt falsch.
»Du, echt nicht. Heute Nacht krieg ich keinen mehr hoch.«
»Nein, das meine ich doch nicht. Männer!« Ich musste lachen.
»Was denn sonst? Stink ich aus dem Mund?« Volker hauchte sich auf die Hand.
»Nein, du Blödmann!« Ich boxte ihn. »Und wenn, dann liebe ich deinen Geruch.«
»Dann ist es ja gut. Gunach …« Schmatz, Röchel.
Ich schluckte. Ein kleiner Enttäuschungswurm wühlte sich durch meine Eingeweide, und ich schaffte es einfach nicht, ihn zum Schweigen zu bringen.
»Wo ist eigentlich die rote Handtasche?«
»Hm?« Volker schien aus seinem Tiefschlaf zu erwachen. »Was? Welche rote Handtasche?«
»Na, dein Geschenk an mich! Bestimmt hast du es nur vergessen!«
»Hab ich dir eine rote Handtasche geschenkt?«
»Noch nicht. Aber das wolltest du, stimmt’s?«, stieß ich verlegen hervor.
»Wie kommst du denn da drauf?«
»Ach, nichts.« Enttäuschung pur. Ich starrte an die Decke. Neben mir hörte ich Volkers gleichmäßige Atemzüge. Wenn das Geld nicht für die Handtasche war, wofür war es denn? Wofür hatte er Lisa GENAU diesen Betrag überwiesen? Ich ging in Gedanken noch mal alle Geschenke durch, die heute Abend ihren Besitzer gewechselt hatten. Lisa hatte so einiges aus London angeschleppt, aber mir wollte kein Gegenstand einfallen, der so teuer gewesen war! Knapp vierhundert Euro! Und welches Geschenk sollte Volker auch bei Lisa in Auftrag gegeben haben? Und für wen?
Vor meinem inneren Auge sah ich sie alle am Tisch sitzen. Ich sah die lachenden, plaudernden, essenden Münder. Ich sah die kleine Fanny in ihrem Bettchen stehen und die Hände nach mir ausstrecken. Ich sah Lisa in ihrem Mohairkleid in der Tür stehen.
Das Mohairkleid. Das war bestimmt vierhundert Euro wert. Aber warum sollte Volker Lisa dafür eine Überweisung … Hatte er es ihr geschenkt? Sollte ich davon nichts wissen? Vielleicht gab es andere Dinge, von denen ich nichts wissen sollte?
Die Blicke. Die Münder. Das Lachen. Die Berührungen. Ich erinnerte mich, wie Volker Lisa stolz umarmte, sich aber schnell wegdrehte, als ich hingeschaut hatte. Diese DÄMLICHEN Andeutungen von Wiebke. Ihre zufrieden flackernden Blicke.
Plötzlich überfiel mich ein unglaublicher Gedanke. Er überfiel mich mit einer solchen Macht, dass ich mich im Bett aufsetzen musste. Mein Herz raste, mein Mund war trocken.
Nein. Das war doch … ausgeschlossen. Blödsinn. Meine Fantasie ging mit mir durch. Volker und Lisa. Ach, QUATSCH ! Wiebke wollte nur unsere Familienharmonie vergiften mit ih ren Scheiß-Abführbeuteln und ihren Scheiß-Bemerkungen. Wiebke war halt die Verliererin und noch eine schlechte dazu. Sie wollte, dass auch ich eine Verliererin
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