Der Überraschungsmann
Bescheid weißt.« Plötzlich wurde Lisa ernster.
»Warum musste ich es denn so erfahren?«
Ich fröstelte. Wir waren doch immer so vertraut miteinander gewesen! Und jetzt waren wir wie zwei fremde Frauen, die hinter einem Kinderwagen herlaufen und keine Worte fanden.
»Tut mir echt leid, Barbara, wirklich.« Lisa hatte die Hände in den Taschen ihres schicken Skianoraks vergraben.
»Ich dachte, wir sind Freundinnen?« Ich zog die Nase hoch.
»Das sind wir hoffentlich immer noch!« Lisa legte die Hand auf meine am Kinderwagengriff. Ich schüttelte sie ab.
»Nachdem du mich von Anfang an belogen hast?« Meine Worte klangen schroff. »Du warst von Nathan schwanger, nicht von Sven!«
»Nicht belogen!«, sagte Lisa. »Ich habe dir nur etwas verschwiegen. Zuerst wusste ich es ja selbst nicht!« Sie rieb sich verlegen die Nase und sah mich trotzig von der Seite an. »Mensch, Barbara, dieser Ausrutscher passierte, bevor wir eure Nachbarn wurden … und das durch einen ganz bescheuerten Zufall. Nie hätte ich gedacht, dass ich diesen Jungen jemals wiedersehe!« Sie hob verzweifelt die Hände. »Und dass ausgerechnet du NATHANS Stiefmutter bist!«
Das Blut pochte mir in den Adern. Es ging mir weniger um Nathan.
»Du hast mich glauben lassen, Sven hätte DICH sitzen lassen. Du hast mir diese Kondomgeschichte aufgetischt!« Nun schrie ich förmlich. Ich war so was von wütend! »Herrgott, ich habe Sven noch hinterhertelefoniert und ihn beschimpft, ihn aufgefordert, dir Alimente zu bezahlen!« Sven hatte ich nämlich wirklich gemocht. Und ihm bitter unrecht getan.
»Ja, das war mir echt oberpeinlich«, sagte Lisa. »Sven wollte ich nämlich am liebsten nie mehr begegnen, nachdem er Nathan und mich vom Schiff geworfen hat.«
»Du hättest mir Bescheid sagen müssen!« Ich blieb stehen und stemmte entrüstet die Hände in die Hüften. Klein Fanny verzog weinerlich das Gesicht.
»Das mit Nathan, damals im Bridgeclub?« Lisa lachte verbittert. »Es gibt Sachen im Leben, die erzählt man noch nicht mal seiner besten Freundin.« Sie zupfte an meinem Ärmel: »Du hast mir ja auch nicht erzählt, dass du Sven angerufen hast! Also! Wo bleibt denn da das Vertrauen?«
»Moment! Nachdem du mir erzählt hast, dass er dich betrogen hat …«
»Das war mir weniger peinlich, als dir das mit Nathan zu beichten. Wie dumm ich damals war!«
»Ja. Ich kann mir das gar nicht vorstellen …« Meine Stimme wurde milder. Ich wollte es natürlich genauer wissen. »Er konnte wirklich bei dir landen?«
Lisas lächelte verlegen. »Der war so durchgeknallt … So eine süße Mischung aus total verklemmt und total neben der Schüssel. Wir haben nur ein einziges Mal … Dabei stehe ich doch eher auf reifere Männer. Ja, und dann waren wir durch einen unglaublichen Zufall plötzlich Nachbarn. Und er hat mich immer so angestarrt, sah, dass ich schwanger war …« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie er da im Hafen von Kopenhagen stand, wollte ich mir echt die Kugel geben.«
»Aber du liebtest doch Sven! Wie konnte denn Nathan bei dir landen?«
Das war ja wirklich wie in Così fan tutte .
»Also, wenn du es genau wissen willst …« Lisa zog ihre verspiegelte Sonnenbrille hervor und setzte sie auf. Nun sah ich mein eigenes Gesicht, wenn ich sie ansah, doch lieber hätte ich ihr in die Augen geschaut.
»Sven ist natürlich das Gegenteil von Nathan. Viel älter und abgeklärter. Er redete immer so vernünftig und wollte ein Eigenheim. Nathan dagegen ist eine verrückte Spielernatur …« Sie senkte den Kopf und malte mit ihrem Stiefel Zeichen in den Schnee. »Da ist es halt passiert.«
»Und dann zogst du frisch verheiratet mit Sven in den Sonnenblumenweg?!«
»Ja! Und dann stand da Nathan!« Sie fasste sich an den Kopf. »Zuerst habe ich gehofft, dass er mich gar nicht wiedererkennt, natürlich vergeblich. Dann habe ich ihn angefleht, Sven gegenüber die Klappe zu halten. Doch er ist unserem Schiff nachgereist, hat plötzlich im Hafen gestanden. Ich wollte ihn loswerden, dann sind wir bummeln gegangen, haben viel geredet und so. Er hat mir gesagt, dass er sich total in mich verliebt, noch nie so eine sexy Frau gesehen hat …«
Das klang sehr überzeugend. Auf einmal konnte ich mir das alles lebhaft vorstellen. Emil hatte mit Lisa einen eher geschwisterlich-neckenden Umgang. Nathan hatte sie immer so merkwürdig aus sicherer Entfernung angestarrt und hatte sich einsilbig verhalten.
»Und dann ist Sven uns draufgekommen. Wir haben
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