Der Überraschungsmann
diesen … Vaterschaftstest gemacht. Als das Ergebnis vorlag, hat er mich rausgeworfen. Ich bin dann halt mit Nathan ins Hotel gegangen. In Kopenhagen. Wenn du willst, zeige ich dir die Quittung. Mit Datum, Zimmernummer und allem.«
Hatte Volker nicht Stockholm gesagt? Na, egal. Er war ja schließlich nicht dabei gewesen.
»Quatsch. Blödsinn.« Ich zog die Schultern hoch und ging weiter. »Du kannst ja machen, was du willst«, rief ich über die Schulter nach hinten. »Ich bin nur so entsetzt, dass du mir nie die Wahrheit gesagt hast!«
»Weil Nathan meinte, du würdest dann Wiebke die Kleine aufs Auge drücken.«
»Hä?« Abrupt blieb ich stehen. »Wieso sollte ich meine kleine Fanny an Wiebke …?«
»Na, weil sie ja die leibliche Oma ist. Nicht du.«
»Die bin ich so oder so nicht.« Schnaufend setzte ich mich wieder in Bewegung. »Ich hab mich um die Kleine gekümmert, weil ich DICH unterstützen wollte! Damit du deine Karriere nicht an den Nagel hängen musst!«
»Ich weiß, und deshalb hab ich dich ja auch so wahnsinnig lieb …« Lisa hoppelte neben mir her. Ich zwang mich, den Kinderwagen geradeaus zu schieben und sie nicht versöhnlich in den Arm zu nehmen.
»Und Wiebke weiß wirklich nichts von ihrem Glück?«
»Nein! Echt, Barbara, wir wollen, dass alles so bleibt wie bisher! Bitte!« Sie zupfte mich wieder am Ärmel. »Meine Mutter ist scheiße, Nathans Mutter ist scheiße, Volkers Mutter ist scheiße – du bist die Einzige, der wir vertrauen.«
»Das Wort Vertrauen stößt mir gerade ziemlich bitter auf!«
»Bitte, Barbara!« Lisa machte den schelmischen Schmollmund, den auch meine Töchter perfekt beherrschten, wenn sie mich weichkochen wollten. Ein Trick, der bei mir immer funktioniert. »Wiebke soll in ihrer Mottenkiste bleiben! Das findet Volker auch!«
Da waren wir uns zum ersten Mal an diesem Tag einig. Ich konnte mir wahrhaftig nicht vorstellen, Fanny an Wiebke abzugeben.
Lisa ging neben mir her und redete auf mich ein.
»Ich hatte solche Gewissensbisse und Selbstzweifel! Immer wieder! Volker hat mir geholfen, zu dem zu stehen, was mir da passiert ist! Er hat mir immer wieder versichert, dass ihr mich auffangt! Er hat gesagt, du bist der großzügigste und liebste Mensch der Welt! Wenn einer eine Familie zusammenhält, dann du! Und ich soll darauf vertrauen, dass alles gut wird!« Lisa hatte sich in Rage geredet. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen schwammen in Tränen. »Und das bist du ja auch! Deswegen ging es mir ja zwischendurch so schlecht! Weil ich dir nicht die GANZE Wahrheit gesagt habe! Weil ich Angst hatte, dich nur auszunutzen!«
Ich schaute Lisa von der Seite an. Alles, was sie sagte, war logisch und stimmte mit dem überein, was ich von Volker wusste. Sie hatte nichts mit Volker. Sie war meine Freundin! Sie würde mir nie so etwas vorspielen. Sie war zwar eine tolle Schauspielerin und Meisterschülerin von Jürgen Flimm. Trotzdem. So gut kann man doch gar nicht spielen. Ihre Tränen waren echt. Sie spielte nicht. Von wegen Così fan tutte! So perfekt kann kein Mensch auf der Welt lügen. Und schon gar nicht meine Lisa. Sie liebte mich wirklich. Und ich liebte sie. Ich blieb stehen und breitete die Arme aus.
In diesem Winter fuhr Volker mindestens dreimal mit mir zum Skifahren.
Nach Dachstein West, dem superleichten Babypisten-Skigebiet. Dort gab es wirklich keine einzige schwarze Piste. Nur blaue und hellrote. Volker rutschte breitbeinig im Schneepflug vor mir her und winkte mir mit seinen Stöcken. Die Urlauber machten einen großen Bogen um ihn und glaubten, dass es sich um einen besonders ungeschickten Anfänger aus Hollands plattester Gegend handelte. Ich musste lachen. »Jetzt übertreibst du es aber! Volker, lass den Quatsch! Ein bisschen schneller können wir schon fahren!«
»Nein! Gefährlich! Steil! Hach – soooo steil!«, schrie Volker dann und verzog gespielt ängstlich das Gesicht. »Hilfe! Ich stürze in die Schlucht!«
Vor lauter Lachen konnte ich gar nicht weiterfahren. Wir rutschten dann zur nächstbesten Almhütte, er zog mir die Skischuhe von den Füßen, hüllte mich in eine Decke und besorgte heißen Kakao mit Rum oder gleich ein kleines Schnapserl. Ich fühlte mich leicht, übermütig und geborgen, und wenn ich die Spießer um mich herum sah, die ihre Frauen belehrten und sich von ihnen bedienen ließen, wusste ich: Ich habe den besten Ehemann der Welt. Er trug mir die Ski, kochte zu Hause als Erstes eine heiße Suppe oder ließ mir ein
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