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Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina McKenna
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sie sich nur selbst die Schuld geben. Die junge Frau warf ihre blonden Haare herum und flirtete, und plötzlich wurde Lydia gewahr, dass einer der Herren sie direkt ansah. Sie traute sich nicht, noch einmal hinzusehen, denn ihre Ängste waren nur allzu begründet. Sie wandte sich Jamie wieder zu.
    »Gott, wie heiß das hier ist, nicht?«
    »Es ist ganz schön warm, das stimmt.«
    »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich das Fenster öffne?«
    »Oh, bitte lassen Sie mich das machen, Lydeea.«
    Beim Aufstehen warf er fast ihre Drinks um, dann mühte er sich ungeschickt mit dem Fenster ab, aber es war hoffnungslos.
    »Ich glaube, es is beim Streichen zugekleistert worden. Das Mistdings bewegt sich nicht einen Millimeter!«
    Er nahm wieder Platz. »Oder es ist eins von diesen Neuen, die sich nicht mehr öffnen lassen, damit man nicht rausspringen kann.«
    »Ja, das könnte natürlich sein«, sagte Lydia, dabei fand sie es unwahrscheinlich, dass irgendjemand zu diesem Zweck aus einem Erdgeschossfenster springen würde, außer vielleicht ein lebensmüder Zwerg. Sie lächelte und warf noch einen verstohlenen Blick auf die Gruppe.
    Es war schon zu spät für eine Flucht. Zu spät für den Sprint, zu spät, sich zu verstecken, denn vor ihren Augen spielte sich das ab, wovor sie am meisten Angst gehabt hatte. Frank Xavier McPrunty kam auf sie zugestapft: der kleine kahle Kopf mit einem wutverzerrten Schildkrötengesicht, die auffällige maulbeerrote Krawatte, die auf- und abhüpfende Kamera vor dem Blazerbauch – es war kein Zweifel möglich. Er blieb an ihrem Tisch stehen, sah von Lydia zu Jamie und wieder zu ihr zurück.
    »Ich habe mir doch gleich gedacht, dass Sie das waren«, meckerte er sie mit seiner dünnen Stimme an. »Ich muss schon sagen, dass Sie sich erdreisten und hier mit einem anderen Mann Ihre Kapriolen drehen. Sie sollten sich was schämen!«
    Jamie sah von ihm zu Lydia, die gerade beschlossen hatte, dass es das Beste sei, einfach alles zu leugnen. Vom Sherry angefeuert, warf sie McPrunty einen vernichtenden Blick zu.
    »Ich weiß nicht, wer Sie sind«, sagte sie in ihrer besten Lehrerinnenstimme, »aber mein Freund und ich trinken hier in aller Ruhe einen Drink und wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie uns in Ruhe ließen.«
    »Sie sind mir die Richtige, von Freundschaft zu sprechen!«
    Seine Kehllappen schwabbelten wütend über der roten Krawatte. So leicht würde sie den nicht loswerden. Aber Jamie war schon aufgestanden, mit erhitztem Gesicht und durchgehendem Temperament. Er ergriff die Gelegenheit, sich zum Herrn der Lage zu machen.
    »Sie haben doch gehört, was meine Freundin gesagt hat, oder etwa nich?«, rief er. »Wenn Sie nich sofort gehn, hau ich Ihnen eine rein, da können Se sich aber drauf verlassen.«
    Die Drohung schien zu wirken. McPrunty trat einen Schritt zurück.
    »Ach, jetzt reden Sie noch so!«, warnte er Jamie. »Aber sie wird Sie auch noch zum Narren halten!«
    Und damit drehte er sich auf dem Absatz um und marschierte zurück zu seiner Gruppe an der Bar.
    »Kannten Sie diesen neugierigen ollen Bastard denn wirklich?« Jamie sah McPrunty hinterher. Dann dämmerte ihm, dass das vielleicht nicht die allerbeste Wortwahl gewesen war. »Ich bitte um Entschuldigung, Lydeea, ich wollte nur sagen ...«
    Aber er unterbrach sich, denn Miss Devine lachte aus vollem Hals. Jamie ließ sich anstecken, er konnte gar nicht anders. Der komische kleine Mann mit der Kamera hatte das Eis zwischen ihnen gebrochen.
    »Oh, guck doch mal, Paddy, sie scheinen sich riesig gut zu verstehen«, sagte Rose und stupste Paddy an, der fast weggenickt wäre; der Whiskey, die gedämpfte Atmosphäre und Roses leiernde Analyse der romantischen Entwicklungen hatten auf ihn eine einschläfernde Wirkung. »Was wollte der winzige Mann denn von ihnen? Wollte der ihnen den Wasserkrug wegnehmen, weil sie sich so gut verstehen? Paddy, hörst du mir überhaupt zu?«
    »Vielleicht hatte er das vor«, sagte Paddy und kam langsam wieder zu sich wie ein dösender Hund, der aus seinem Mittagsschlaf gerissen wird. »Jamie sieht so richtig gut aus in dem Anzug ... torfbraun, glaub ich, so hat Mr Harvey die Farbe genannt.«
    »Na, ich würd das eher für saucenbraun halten. Und guck doch nur mal, wie ihm das Tuppett wie angegossen passt. Weißte, Paddy, ich finde ja, du solltest dir auch so eins besorgen, denn du wirst auch langsam ziemlich kahl.«
    Am Tisch der einsamen Herzen unterhielten sich der Farmer und die Lehrerin jetzt

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