Der Umfang der Hoelle
Gruppe von Menschen hereinkam und sie entgeistert ansah.
Flugstunde
All diese Leute standen nun in der makellosen Schwärze wie in einer kompletten Bildstörung. Eine Gewöhnung der Augen an die Dunkelheit ergab sich nicht. Durch keine der Ritzen sickerte jenes Quentchen Licht, welches nötig gewesen wäre, eine minimale Sicht zu gewährleisten. Wenn einer der Anwesenden etwas sah, dann mußte es noch am ehesten der tote Tom Pliska sein, was auch immer ihm gerade widerfuhr.
Daß aber auch die Lebenden noch einiges durchmachen würden, lag so ziemlich auf der Hand. Denn eines war ihnen allen rasch klar geworden, daß sie nämlich für Siem Bobeck eine Belastung darstellten, besser gesagt eine Bedrohung, in erster Linie als Gruppe, aber in Abstufungen auch als einzelne. Wobei natürlich Mona Herzig an der Spitze stand und Pfarrer Marzell als schlichter Zeuge den Abschluß bildete.
Ohne ein wirkliches Verbrechen begangen zu haben, hatte Siem Bobeck eine Dynamik in Gang gesetzt, eine fatale Folge von Ereignissen, die imstande war, seinen guten Ruf mit einem Schlag in das Gegenteil zu verkehren. Nun könnte man natürlich meinen, es gebe Schlimmeres, als einen guten Ruf zu verlieren. Aber das meinen nur Leute, die einen solchen nicht besitzen. Die, welche das aber durchaus tun, sind zu allem und jedem bereit, sich die Hochachtung der Welt zu erhalten. Auch Nobelpreis-Verweigerer. Denn es ist ja wohl ein Unterschied, einen Preis abzulehnen, als diesen Preis nie und nimmer angeboten zu bekommen.
Siem Bobeck mußte handeln, und zwar in radikalster Weise, wollte er dem Verlust seiner Ehre zuvorkommen. Er mußte etwas völlig Verwegenes versuchen. Verwegener noch als der Versuch der Familie Semper, mittels einer großangelegten Geiselnahme die Wahrheit über den Tod ihres Jungen ans Tageslicht zu pressen. Was nun wirklich eine verrückte Idee gewesen war. Aber es muß gesagt werden, daß die Sempers vor dem Ruin standen. Daß ihre Schulden derart angewachsen waren, daß Siem Bobeck sich wohl veranlaßt gesehen hätte, seine helfende Hand für alle Zeiten zurückzuziehen. In dieser Geschichte hatte jeder auf seine Art eine Grenze erreicht und sein Heil darin gesehen, die Grenze zu überschreiten. Wie jemand, der seine Betrunkenheit mit Alkohol bekämpft.
Jedenfalls ahnten die Menschen, die in der Sternwarte eines vergessenen englischen Dichters eingeschlossen waren, daß Siem Bobeck keineswegs vorhatte etwa zu flüchten und sich bloß einen kleinen Vorsprung zu verschaffen. Und in diese Ahnung hinein fügte sich nun deutlich der Geruch aufsteigender Flammen. Kein Zweifel, Siem Bobeck hatte das Gebäude in Brand gesetzt. Und es war unschwer vorzustellen, wie er eine solche Katastrophe – die er dann als einziger überlebt haben würde – den Sempers anlasten könnte. Wie er vortäuschen würde, dem Feuer knapp entkommen zu sein, welches von seiner Verwandtschaft in selbstmörderischer Absicht gelegt worden war. Denn eine solche selbstmörderische Absicht würde ja angesichts einer so ungewöhnlichen Maßnahme, wie es die Geiselnahme von hundertfünfzig Ehrengästen darstellte, durchaus plausibel erscheinen.
Die Aussagen von ein paar jugendlichen Gewalttätern, die Sempers hätten mitnichten vorgehabt, sich das Leben zu nehmen und dabei Siem Bobeck und seine Gattin und ein paar andere mitzureißen, würden da kaum ins Gewicht fallen. Nein, für Bobeck stieg mit den Flammen die Wahrscheinlichkeit, sich schlußendlich aus dem ganzen Schlamassel zu befreien und sodann – bedauert von einer interessierten Öffentlichkeit – weiter am eigenen Mythos basteln zu können. Welcher dann nach seiner einträglichen Modehausallüre und seiner Traumhochzeit um eine weitere außerwissenschaftliche Beifügung bereichert sein würde, die einer bizarren Kriminalgeschichte. Man konnte sich vorstellen, daß Bobeck dann nicht nur ein Star unter den Ethologen und Molekularbiologen wäre, sondern auch ein Star unter den Witwern.
Das begriffen die Eingeschlossenen. Oder begriffen auch nur, daß sie sterben würden, wenn ihnen nicht rasch ein zwingender Einfall kam. Erstaunlicherweise brach jedoch keine Panik aus, so als erwarte man insgeheim ein Wunder. Als sei die Anwesenheit Pfarrer Marzells der Garant für ein solches Wunder.
Doch unglücklicherweise blieb es aus, das Wunder. Und darum meinte Claire Rubin: »Wir sollten jetzt schnell etwas tun.«
»Was tun, wenn nichts sehen, du Genie?« fluchte Gerda Semper.
Immerhin war nun ein Lärm
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