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Der Umfang der Hoelle

Der Umfang der Hoelle

Titel: Der Umfang der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Nicht aber der magere Mann hinter der Bar, der an gar niemanden erinnerte und allein das Bild erfüllte, das man sich von Bettys Ehemann zu machen hatte. Anzunehmen, daß er hier nur bediente, wenn Betty noch schlief. Sehr wahrscheinlich auch, daß er im Gegensatz zu seiner Frau über ein Nichts an Autorität verfügte.
    Reisiger und Turinsky nahmen an einem der weißen, runden Plastiktische Platz.
    »Zwei Kaffee!« rief Turinsky dem Ehemann Bettys zu, nachdem dieser keine Anstalten gemacht hatte, eine Bestellung aufzunehmen.
    »Was für Kaffee?« fragte dieser mit der jenseitigen Stimme schlechter Schläfer.
    »Stark, mit einem Schuß Milch«, sagte Turinsky. Es klang, als beschreibe sie einen der Männer an der Bar.
    »Woher bitte«, wandte sich Reisiger an Turinsky, »wollen Sie wissen, wie ich meinen Kaffee möchte?«
    »Ich denke, es ist besser, den Kaffee so und nicht anders zu bestellen.«
    »Na, wie Sie meinen«, gab Reisiger klein bei, sah sich ein wenig um und meinte: »Nette Einrichtung hier.« Und leiser hinzufügend: »Nette Leute.«
    Einer von dieser netten Leute erklärte nun unüberhörbar: »Scheißpiefke. Die kommen überall hin, machen sich überall breit und spucken überall hin. Piefkevirus. Und das um fünf in der Früh.«
    »Um fünf in der Früh«, entglitt es Reisiger, obgleich er nicht die geringste Lust auf eine Auseinandersetzung hatte, »könnte man eigentlich seine Schnauze halten.«
    »Oh!« staunte der Mann, der augenblicklich von seinem Barhocker gerutscht war und den Körper eines leicht angefetteten Bodybuilders präsentierte. »Nicht nur ein Virus. Auch noch ein Held. Ein deutscher Held.«
    »Lassen wir das«, schlug Reisiger vor, dem höchst unwohl geworden war. Vor allem wegen Kim Turinsky. Er dachte:Nicht schon wieder!
    »Gar nichts lassen wir, du Ratte!« sagte der Österreicher, der jetzt erst zu realisieren schien, wie hübsch und schick und jung die Frau war, die hier saß. Was er auch sogleich kommentierte, indem er Reisiger als Opa qualifizierte, dem es nicht zustehe, »in taufrisches Fleisch einzubrechen«.
    Die Formulierung überraschte, bewies ein wenig die Behauptung, daß in jedem Österreicher ein komischer kleiner Dichter stecke.
    Turinsky verdrehte die Augen. Wobei sie weniger angewidert schien als angeödet. Sie sagte, an den Bodybuilder gewandt: »Komm, du großer, dicker Mann. Spar dir deine Phrasen und gib einfach Frieden. Das wäre vernünftig. Früh am Morgen sollte immer die Vernunft vorgehen. Für Unsinn hat man dann noch den ganzen Tag. Oder?«
    Das sah der Mann aber ganz anders. Er trat an den Tisch heran und speiste Turinsky mit der Bemerkung ab, sie könne sich ihre Vernunft in den Hintern stecken und so weiter. Sodann schnellte er seinen Arm vor, um aus der nach oben gedrehten Faust einen Finger zu strecken und diesen Finger unter Reisigers Kinn zu drücken. Auf diese Weise wurde Reisiger gezwungen, sich zügig zu erheben. Er spürte die scharfe Nagelkante gleich jenem Messer, das ihm Fred Semper an die Wange gehalten hatte. Dennoch beließ er seine Arme steif nach unten gerichtet, während er gezwungen war, auf seinen Fußballen stehend das Gleichgewicht zu halten. Er hoffte darauf, daß sich sein Gegner einfach mit dem Umstand der eigenen Überlegenheit zufrieden geben würde. Um genau dies zu bekräftigen, verwies Reisiger auf den Verband an seiner Hand und sagte: »Ich bin verletzt.«
    »Ich auch«, erwiderte prompt der Österreicher, der ja ordinär, aber nicht dumm war.
    »Ich aber nicht«, komplettierte Turinsky das verbale Geplänkel, stand auf, klemmte ihren Mittelfinger in den des Angreifers – wie man dies beim sogenannten Fingerhakeln praktiziert – und zog ihn mit einem kräftigen Ruck von Reisigers Kinn fort.
    »Irre!« sagte der Mann und betrachtete ungläubig seinen dicken Finger im vergleichsweise schmalen der Frau.
    »Ich sagte Ihnen doch«, erinnerte Turinsky, »es wäre besser, auf die Vernunft zu horchen.«
    Der Mann verzog sein Gesicht. Und zwar vor Schmerz. Denn während Turinsky gesprochen hatte, war sie unter seinem Arm durchgetaucht, noch immer seine Hand fixierend, sodaß nun also der Arm des Mannes gegen den eigenen Rücken verdreht wurde. Gleichzeitig hob Turinsky ihren rechten Fuß an und donnerte ihre Schuhspitze in den Unterschenkel des Gegners. Dieser ging mit einem Stöhnen in die Knie, wo er auch verblieb. Turinsky hielt ihn jetzt wie an einem Fleischerhaken fest, ließ dann aber endlich los und stieß ihn mit einem

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