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Der Umfang der Hoelle

Der Umfang der Hoelle

Titel: Der Umfang der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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dieser Display, der – ratatatata – die Daten von deinem Gegner rübersendet und dir zeigt, wo du hinschlagen mußt.«
    »Ich würde dir gerne helfen«, sagte Bobeck, »aber das ist nicht der richtige Ort dafür.«
    »Du hilfst mir, indem du es mir überläßt, welchen Ort ich für den richtigen halte.«
    »Da hast du sicherlich recht. Aber wir machen hier keine Experimente, um unseren Probanden zu einem höheren Bewußtsein oder zu einer Erkenntnis zu verhelfen. Die Erkenntnis ist unser eigener Profit. Der Profit der Probanden besteht in einer Geldüberweisung.«
    »Wär doch mal was Neues, wenn du einen Semper für seine Arbeit bezahlst. Ob ich sonst noch ’n Nutzen davontrag, kann ich schon selbst entscheiden.«
    »Trotzdem, du versprichst dir etwas Falsches von der Sache.«
    »Was muß ich jetzt tun?« fragte Fred Semper. »’nen Anfall kriegen?«
    »Einfach nach Hause gehen. Und glaub bitte nicht, daß du mir drohen könntest. Ich muß jeden Tag mit ganz anderen Kalibern fertig werden. Wenn du Unfrieden stiften möchtest, geh nach draußen und leg dich mit ein paar braven Bürgern an.«
    »Ein ernst gemeinter Ratschlag?«
    »Die braven Bürger halten das schon aus«, sagte Bobeck. »Die sind oft robuster, als man glaubt.«
    »Ach was. Die weichen mir aus, deine braven Bürger. So wie du mir ausweichst.«
    »Richtig«, sagte Bobeck und beendete damit das Gespräch, indem er durch eine beredte Geste auf eine bestimmte Taste seines Telefons wies, die ihn wohl mit dem kleinen, aber effizienten Sicherheitsdienst verbinden würde, über den man hier verfügte.
    Fred Semper verstand. Er war ein Schläger, ein ideologiefreier Provokateur, doch anders als viele seiner Kumpels akzeptierte er Grenzen, wenn sie denn nicht zu überwinden waren. Auch war er trotz großartigen Gehabens kein Hasardeur, der sich mit einem Mann hätte anlegen wollen, der die Sempers, alle Sempers finanzierte. Wenn Onkel Siem darüber hinaus nicht helfen wollte, dann wollte er eben nicht.
    »Schönen Tag noch«, sagte Fred, erhob sich in der Manier eines Artisten und verließ den fensterlosen, gekühlten Raum durch eine goldfischfarbene Türe.
    Augenblicklich setzte Bobeck das Gespräch fort, das er vor dem Eintreten seines Neffen geführt hatte. Eine Stunde lang kein Wort über Fred. Statt dessen geschäftsmäßige Sachlichkeit. Dann, unvermutet wie Schneefall in Istanbul, fragte Bobeck seine Assistentin: »Was hältst du davon, das Regina zu testen?«
    Es war so gewesen, als hätte er vorgeschlagen, eine Bombe zu zünden. Ein große Bombe, deren Wirkung völlig unberechenbar war.
    Regina , Regina ! Der Name – der geheime Name – bezeichnete eine jüngst entwickelte Substanz, eine Stimulantie, nicht unähnlich jenen Amphetaminen, die Tom Pliska so gerne schluckte. Ähnlich in bezug auf die chemische Herkunft, bestimmte vegetative Reaktionen wie die Änderung der Körpertemperatur in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur, Erhöhung des Blutdrucks und der Pulsfrequenz, die aufputschende, das Schlafbedürfnis hinausschiebende Wirkung, daraus resultierend diverse Zusammenbrüche und so weiter und so fort.
    Aber Regina hatte noch ganz andere Dinge auf Lager. Regina war ein kleiner Teufel, allerdings nicht entwickelt in einem dieser sagenumwogenen Geheimlabors großer Konzerne und kaltblütiger Staaten, sondern in der privaten Werkstatt eines finnischen Chemikers.
    Aber was machen die Finnen nicht alles? Lange unterschätzt, tauchen sie aus der Dunkelheit ihres Landes immer wieder auf und zeigen der Welt, wo’s langgeht. Ein Außerirdischer würde sich mit Sicherheit viel eher für die finnischen Umtriebe interessieren, als für die verzweifelten Anstrengungen untergehender oder untergegangener Supermächte. Es war, als würde ein gequälter Gott mit seinem Finger auf Finnland zeigen und sagen: Jetzt macht ihr mal!
    Nun, besagter Chemiker hatte sich diesbezüglich einige Mühe gegeben, war schlußendlich aber doch mehr als erschrokken gewesen. Dabei hatte er im Grunde sein Ziel erreicht. Aber erreichte Ziele sehen immer ein wenig anders aus, als man sich das aus der Distanz vorstellt. Der Gipfel erweist sich als eng und kalt, und mitunter ist die Sicht elendiglich. Regina (so benannt nach der Frau des Finnen, was liebevoll gemeint sein kann, eher aber nicht) führte im Selbstversuch, den der Chemiker unternahm, zunächst einmal zu der erwarteten, mit euphorischen Gefühlen einhergehenden Aggressionssteigerung. Weniger blindwütig als

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