Der Umfang der Hoelle
verabreichen. Famos!
Mona Herzig hätte sich gerne gewehrt. Weder stand ihr der Kopf nach Risiko noch nach Schwierigkeiten, die das ganze Institut gefährden konnten. Denn ganz sicher war es auch ihr Institut. Es war schon störend genug, daß die Presse wegen Bobecks Heirat mit einem schriftstellernden Schlagerstar sich mit einem Mal für Verhaltensforschung interessierte und lästige Anfragen an das Institut stellte, die man mit Sorgfalt – Wörter wiegend wie Backpulver – zu beantworten pflegte.
Doch sie schwieg. Sie begriff, daß Bobeck mit Argumenten nicht beizukommen war, daß er für jedes »aber« ein »doch« bereithielt. Und daß er nach Jahren einer im Grunde sauberen, aber letzten Endes ereignislosen, sich im Kreis drehenden Forschung etwas Außerordentliches wagen wollte. Etwas, das seiner »Kultivierung der Gewalt« in einer pharmazeutisch-wunderlichen Weise entgegenkam. Ohne daß er hätte sagen können, was da genau ablief. Aber eben das wollte er ja herausfinden. Nur war der Weg dorthin indiskutabel. In jeder Hinsicht. Weshalb auch nicht weiter diskutiert wurde. Bobeck entschied, die Sache anzugehen. Und es stand außer Frage, daß Mona ihm assistieren würde, wie sie das seit beinahe zwei Jahrzehnten tat.
Wenige Tage später saß Fred Semper an derselben Stelle und lächelte, als habe er soeben James Dean die Hand geschüttelt. Genaugenommen hatte er ein paar Stunden zuvor seinen Wagen zu Schrott gefahren und war solcherart tatsächlich in eine zarte, sentimentale Berührung mit dem amerikanischen Filmidol geraten. Das wilde Autofahren erschien Fred Semper als die schönste und eleganteste Form eines gewalttätigen Lebens. Jedenfalls war er mit geringen Blessuren einem vollkommen demolierten Audi entstiegen, ohnehin nicht die Marke, für die er sich erwärmen konnte, eine Notlösung, die sich nun von selbst gelöst hatte.
»Du siehst mich in freudiger Erwartung«, meinte Fred, »ich habe soeben mein – ich weiß nicht so recht –, mein drittes oder viertes Leben eröffnet. Wie ist das mit diesen Katzenviechern? Na, egal. Ich bin bereit.«
Siem Bobeck beschrieb nun, ohne irgend etwas auszulassen, in welcher Weise das Präparat jenes finnischen Chemikers funktionierte. Soweit man das eben sagen könne. Darum ja der Versuch, um die genauen Konsequenzen und Abläufe festzustellen. Um zu sehen, was genau da eigentlich passiert. Und weshalb es passiert.
»Klingt schauerlich«, spöttelte Semper mit der suizidalen Fröhlichkeit seines Alters.
Mona warf ein, Fred solle aufhören, hier den Kasper zu spielen, und sich vor Augen halten, daß er möglicherweise einen kleinen Höllentrip durchmachen werde, wenn er in dieses Experiment einsteige. Wogegen sie einiges einzuwenden habe. Regina , allein der Name sei schauerlich.
»Warum sitzt die eigentlich hier?« fragte Fred seinen Onkel.
»Frau Herzig ist unser guter Geist. Es bedarf guter Geister, wenn man sich mit dem Teufel einläßt, nicht wahr?«
»Von mir aus. Ich bin auf jeden Fall bereit. Ich werde der beste Proband sein, den ihr je in eurem noblen Käfig hattet.«
Bobeck nickte und sagte: »Zu einem guten Probanden gehört natürlich auch die Diskretion.«
»Zu einem guten Probanden«, erwiderte Fred, »gehört eine gute Bezahlung. Nicht der übliche Hungerlohn.«
»Ich habe noch nie jemand schlecht bezahlt«, betonte Bobeck ernst, geradezu beleidigt. Und das war ja nun auch die Wahrheit. In Fragen der Lohnpolitik war er der gute Geist. Er fragte: »Was stellst du dir vor, Fred?«
»Ich hatte grad diesen Unfall mit diesem beschissenen Wagen. Ich will nie wieder ’nen Audi fahren. Lieber sterben. Der war von Mutti, die mir so gerne ihre gebrauchten Kübel andreht. So sind Mütter halt. Ich bin von ihrem Geld abhängig. Einem Geld, das ja dein Geld ist, Onkel Siem. Dann schon lieber direkt, find ich. Und genau an dem Punkt sind wir jetzt angelangt. Ich stell mir vor, daß ein Porsche der richtige Wagen für mich wäre. Kein gebrauchter, an dem irgendwelche Affen ihre Finger hatten, Stuttgarter Spießer, die sich ’nen Sportwagen kaufen, um ihre Liebste zum Minigolf auszuführen. Nein, ich möcht einen nagelneuen, rot, rot wie ’n Sonnenbrand auf ’nem geilen Schulterblatt, damit’s auch wirklich ein Signal ergibt. Über das Modell können wir diskutieren. Ich will dich nicht ausbeuten.«
»Entscheide das selbst«, sagte Bobeck. »Es wäre lächerlich, wenn wegen dem bißchen Geld rauf oder runter eine ungute Stimmung entstünde.
Weitere Kostenlose Bücher