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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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nickte, als habe er verstanden. Bei der Erzählung über die Japaner unterbrach Woltschanow Pawel.
    „Das hat leider nicht geklappt …“, sagte er traurig. „Das hat, Teufel nochmal, ganz und gar nicht geklappt … Sie hatten es zu eilig, da hat man sie alle verhaftet und bestraft …“
    „Wie bestraft?“, wunderte sich der Volkskontrolleur.
    „Man hat allen die Köpfe abgeschlagen …“
    „Auch der Frau, dieser Japanerin?“, fragte Pawel bestürzt.
    „Auch ihr …“, bestätigte Timofej.
    „Wie denn, was für Schufte sind das nur … einer Frau … den Kopf abschlagen …“ Dobrynin flüsterte nur noch. „Konnten sie es nicht auf menschliche Weise tun? Wenn man sie erschossen oder erhängt hätte … Aber wozu den Kopf …?“
    „Ach, lass gut sein.“ Woltschanow winkte ab. „Was nutzt das Heulen? Als ich es erfuhr, habe ich, Tschekisten-Ehrenwort, selbst geheult. Ich hatte ja so einen Traum, es würde neben­an eine Japanische Sozialistische Sowjetrepublik geben … Aber jetzt … Der Krieg ist dazwischen gekommen … wenn nur …“
    Ins Zimmer trat, ohne anzuklopfen, ein Soldat mit einem metallenen Tablett herein. Er stellte das Tablett auf den Tisch. Auf dem Tablett standen eine Teekanne, zwei Gläser in Glashaltern und ein Teller mit Wurst- und Käsebroten.
    „Na, komm, beruhig dich!“, sagte Woltschanow. „Ihnen kannst du nicht mehr helfen, wir aber müssen noch leben und arbeiten! Wir verhelfen ihrem Andenken zu ewigem Ruhm! Straßen und Gassen und Schiffe wird es geben … Essen wir!“
    Der Wein hatte Dobrynin wie von innen her aufgeweicht. Selbst das Kauen der Brote fiel ihm schwer, doch der gute, süße Tee half ihm, die Speisen zu schlucken, indem er alle Krümel, die noch in seinem Mund steckten, in einem einzigen Strom zum Magen spülte.
    Dann und wann nahmen sie das Gespräch wieder auf, und in diesen Augenblicken versuchte Pawel, so kurz er konnte, die letzten Ereignisse aus seinem Leben und von seiner Arbeit zu erzählen.
    „Gibst du mir dieses Fell-Buch mal zum Ansehen? Hm?“, bat Woltschanow an einer Stelle.
    Das versprach Dobrynin.
    Wieder kauten sie, tranken Tee hinterher und füllten die Pausen mit Worten.
    „Hast du denn deinen Orden erhalten?“, fragte plötzlich der Unterleutnant.
    Pawel schüttelte den Kopf.
    „Na, ich werde den Alten daran erinnern! Er hat es wohl vergessen. Kommst du morgen wieder her?“
    „Ja.“
    „Hast du deinen Sohn schon gesehen?“
    „Noch nicht“, antwortete Pawel.
    „Du bist ein glücklicher Mensch, Pawel!“ Der Unterleutnant lächelte breit, dass man alle seine Zähne sah. „Beim ersten Mal gleich ein Sohn! Siehst du, ich habe Kinder so gern, aber es ist nichts draus geworden, es hat einfach nicht geklappt …“
    „Hast du denn keine Kinder?“
    Woltschanow schüttelte traurig den Kopf.
    „Zeigst du mir deinen Kleinen?“, fragte er.
    „Ja, wir können heute gleich … Die Kinderfrau muss ihn am Abend bringen.“
    „Abend ist es schon!“, sagte Woltschanow mit einem Blick auf seine Uhr. „Bald acht.“
    Dobrynin staunte, wie schnell die Zeit verstrichen war. „Dann könnten wir zu mir gehen und du siehst meinen kleinen Grigorij, den Grischutka.“
    „Das könnten wir.“ Timofej nickte. „Ich bin hier heute schon fertig, ich muss nichts mehr machen. Und für Notfälle gibt es ja den Diensthabenden.“
    „Bei mir ist auch Platz zum Übernachten“, lud der Volkskontrolleur den Unterleutnant weiter ein, als dieser der Fahrt bereits zugestimmt hatte.
    Sie verließen das Gebäude. Ein dunkler, niedriger Himmel hing schwer und sternenlos über dem Kreml und über der ganzen Hauptstadt. In dieser Dunkelheit war es ruhig und friedlich, nur irgendwo von links drangen zwei Männer­stimmen und das Knistern eines Feuers zu ihnen herüber, man sah die funkensprühenden, roten Flammen.
    Woltschanow wandte sich sogleich in Richtung der Stimmen und lauschte.
    „Dieser Schuft!“, sagte er leise. „Schon wieder!“
    „Was gibt es da?“, fragte der Volkskontrolleur, der leicht betrunken war, sich aber noch Mühe gab, munter zu bleiben.
    „Komm, ich zeig es dir!“
    Nach zweihundert Metern machten Woltschanow und Dobrynin hinter den Tannen Halt, die hier in großer Zahl wuchsen. Sie erstarrten, bis ihre Augen sich an das Bild gewöhnt hatten, das von den Funken der Flamme beleuchtet wurde.
    Zwei Männer standen um ein Feuer, das aus einer großen Blechtonne herausschlug, etwa sieben Meter vom Unterleutnant und dem

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