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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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er.
    „Natürlich.“ Dobrynin nickte. „Der Künstler und der Vogel.“
    „Nein, nein, da ist noch ein Instrukteur des ZK bei ihnen. Der, der ihn auf die Bühne geführt hat.“
    „Ja, und was macht das?“, fragte Dobrynin verständnislos.
    „Vielleicht trinkt er nicht?“
    „Dann laden wir sie zum Tee ein, und dort sehen wir weiter“, schlug der Volkskontrolleur vor.
    „Gut, einverstanden“, stimmte der Parteisekretär zu. „Ich sage es ihm selbst.“
    Der Vogel fuhr mit seinem gefühlvollen Vortrag fort, und viele Frauen schnieften bereits leise und wischten sich die Tränen weg.
    „Hör mal, Akimow.“ Wieder neigte Dobrynin sich zu dem Parteisekretär. „Ist er blind?“
    „Nein, er darf die Fabrik nicht sehen, verstehst du. Wir sind doch geheim …“
    „Aha …“ Dobrynin nickte.

    Am selben Abend versammelten sich in einer winzigen Kate, die von der Familie eines Deserteurs beschlagnahmt und an den Parteisekretär übergeben worden war, Dobrynin und Waplachow, Akimow und Parlachow und natürlich Mark Iwanow mit Kusma um einen Tisch. Iwanow waren wiederum die Augen verbunden worden. Er saß da gespannt und regungslos und lauschte auf jedes Rascheln, jedes von seinen unsichtbaren Gesprächspartnern ausgesprochene Wort.
    Als Erstes machten sie sich miteinander bekannt.
    Dann fragte Dobrynin flüsternd Akimow, ob man dem Künstler nicht wenigstens hier die Augen aufbinden könnte, denn hier sei man doch nicht mehr in der Fabrik? Akimow führte Parlachow auf eine Minute in den Flur hinaus, und als er zurückkehrte, flüsterte er dem Kontrolleur zu: „Es geht nicht, du und ich, wir sind ja ebenfalls geheim, und die Heimat traut den Künstlern nicht.“
    „Ja, wenn die Vorschrift so ist!“ Dobrynin breitete verstehend die Arme aus.
    Die Alte Piliptschuk, die dem Parteisekretär im Haushalt half, legte Brennholz im Ofen nach, rieb mit einem Lappen den großen ovalen Tisch ab und stellte ein Glas vor jeden hin.
    „Wollen wir uns, solange es noch keinen Tee gibt, ein bisschen … anwärmen?“, schlug Akimow vorsichtig vor.
    „Natürlich“, freute sich Parlachow.
    „Wir haben hier ganz reinen, medizinischen!“, rühmte der Parteisekretär, während er hinter einer altmodischen Truhe eine Dreiliterflasche mit Trinkspiritus hervorzog.
    Sie tranken jeder ein halbes Glas, und sogleich wurde es wärmer in der Hütte.
    Waplachow zerzauste sich das dicke graue Haar und blickte geradezu fröhlich in die Runde – er dachte an die Soldaten von Hauptmann Iwaschtschukin zurück, die ihn das Kartenspielen gelehrt hatten. Er erinnerte sich gern und mit Dankbarkeit an sie.
    Dobrynin entspannte sich gleichfalls nach einem tiefen Schluck und dachte an seinen Freund Woltschanow.
    „Ich habe ja vergessen, das Eingemachte auf den Tisch zu stellen, es gibt hier von der Deserteursfamilie noch den ganzen Keller voll … Ich werde gleich … Olja! Olja, wo bist du?“
    Da eilte die Alte Piliptschuk herbei, hastig und erschrocken, sie begriff schnell, worum es ging, und eilte wieder davon.
    Nach ein paar Minuten langten die Gäste bereits mit den Fingern nach milden Salzgurken, die zwischen den Zähnen krachten, und weichen eingemachten Äpfeln.
    „Na, Genosse Iwanow, auf ein zweites!“, schlug Akimow vor, während er die Gläser füllte.
    Mark nickte. Etwas hinderte ihn am Sprechen, wohl irgendeine Furcht.
    „Wieso nehmen Sie denn keine Gürkchen?“, sagte der Parteisekretär irgendwo über dem Künstler. „Sonst ist bald alles weg!“
    Da erkannte Akimow, dass der Künstler die Gürkchen und auch die Äpfel ja nicht sah. Und von Mitleid mit diesem kleinen, hinkenden Menschen ergriffen, nahm Akimow die Hand des Künstlers und legte sie mit der Handfläche auf den Teller mit dem Eingelegten. Mark ertastete eine recht große Gurke und hob sie zum Mund. In der zweiten Hand hielt er sein Glas mit dem Spiritus.
    Sie tranken auf den Sieg.
    Und hier erinnerten sie sich an den Papagei. Parlachow holte ihn aus dem Käfig und setzte ihn dem Künstler auf die Schulter.
    „Soll er uns doch etwas vortragen!“, sagte Akimow, wobei er sich die Lippen leckte und den Vogel anstarrte, und er begann zu warten.
    „Sprich, Kusma!“, sagte Mark, leicht nach rechts gewandt.

    „Qualm und Panzer, Bombenflieger,
    Explosion, entzwei geborstne Brücken,
    Krieger, Bajonette, Pferderücken,
    Feuergarben gehn hernieder.
    Finstre Feinde rennen, toben,
    Und ein Schütze zielt aus einem Schuppen,
    Durcheinander in den fremden

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