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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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um die Hausecke und versteckte sich dort.
    „Was tun?“, wiederholte er aufs Neue.
    Weshalb war er hier hergestürmt? Wegen der Akten­tasche? Ja. Und außerdem wollte er Karpowitsch finden. Aber was sollte er jetzt tun?
    Auf einem der Pfade schlenderten zwei Soldaten auf das Haus zu. Einer von ihnen hielt einen Korb in der Hand.
    „Steinpilze, sagst du!“, sagte der, der mit leeren Händen ging, lachend. „Wo sind dort Steinpilze? Milchpilze und Rotkappen!“
    „Was ist schlecht an Milchpilzen und Rotkappen?“, fragte der zweite. „Hast du schon mal marinierte Milchpilze ge­gessen?“
    „Hab ich …“
    Sie gingen zum Eingang hinauf und traten ins Haus. Aufs Neue wurde es still und ruhig in der Natur. Nur in Banows Seele war kein Friede. Die Gedanken stachen wie Tannennadeln. Banow erschauerte.
    ‚In Ordnung‘, beschloss er endlich. ‚Ich gehe, suche die Aktentasche und versuche, wieder zurück hinauf zu kommen.‘
    Mit elastischen Schritten lief Banow jenen Pfad entlang, den er, wie ihm schien, gemeinsam mit Karpowitsch und Klara gegangen war, als sie den Kremlträumer besucht hatten. Irgendwo dort, nicht weit von dessen Laubhütte, hatte er wohl auf dem Nachbarhügel seine braune Aktentasche liegen gelassen.
    Der schmale Pfad schlängelte sich weiter durch ein Dickicht aus Nusssträuchern, einen Hügel hinunter, an einer kleinen Schlucht vorbei, über eine kleine Brücke über den Fluss. Und weiter ging es, bis Banow fast stehen geblieben wäre, als er zwischen Tannenästen die Laubhütte und den Kremlträumer, in eben dem von Klara ausgewählten Anzug, erblickte. Er zündete gerade ein Feuer an.
    Langsam näherte Banow sich der Laubhütte. Er blickte ständig zu Boden, um nicht zufällig auf einen Zweig zu treten – er wollte den Alten ja nicht erschrecken. Aber der Alte hörte gut, und als Banow hinter der Laubhütte stand und glaubte, es sei ihm gelungen, unbemerkt heranzukommen, rief der Kremlträumer fröhlich: „Na, was verstecken Sie sich da, mein Lieber? Denken Sie, Sie könnten einen alten Konspiranten überlisten? Daraus wird nichts! Kommen Sie hervor!“
    Da fiel alle Anspannung unversehens von Banow ab, er kam hinter der Laubütte hervor und trat an das gerade entzündete Lagerfeuer.
    Der Alte saß auf einem kleinen Holzklotz direkt am Feuer.
    „Setzen Sie sich, mein Lieber, setzen Sie sich!“, lud er ein.
    Banow breitete seine Pelerine auf dem Gras aus und nahm Platz.
    Der Kremlträumer musterte den Ankömmling aufmerksam dabei.
    Darauf sagte er: „Kenne ich Sie vielleicht zufällig?“
    „Ich war einmal mit Genossin Klara hier“, gestand Banow.
    „Ah! Aber natürlich erinnere ich mich!“, freute sich der Alte noch mehr als zuvor. „Und wieso hat es Sie jetzt hierher verschlagen?“
    Banow blickte in das Feuer, das nun hell loderte.
    „Ich habe beim letzten Mal meine Aktentasche hier zu-rück gelassen … es hat geregnet, wir mussten laufen … Da habe ich sie vergessen. Außerdem ist noch mein Genosse verschwunden … Der, der uns damals her gebracht hat …“
    Die Miene des Kremlträumers wurde nachdenklich.
    Er erhob sich, verschwand in der Laubhütte und kehrte mit Banows brauner Aktentasche wieder.
    „Die hier etwa?“, fragte er.
    Banow sprang auf die Füße, so staunte er.
    „Ja“, sagte er. „Die. Da gab es auch noch Papiere, den Schulunterricht betreffend …“
    „Die Papiere, mein Lieber, habe ich verbrannt“, gestand der Kremlträumer. „Und, entschuldigen Sie, aber die Aktentasche habe ich an mich genommen. Sie kam mir sehr gelegen, ich bewahre jetzt meine Korrespondenz in ihr auf … Sie haben doch nichts dagegen?“
    Banow zuckte die Schultern.
    „Nein, bittesehr“, sagte er nach kurzem Zögern. „Ich bin eigentlich ja auch nicht wegen der Aktentasche gekommen. Lieber möchte ich erfahren, wohin mein Freund Karpowitsch verschwunden ist …“
    Irgendwo in der Nähe knackte ein Zweig, und Banow sah sich erschrocken um.
    Der Alte zog eine Uhr an einer Kette aus der Westen­tasche und klappte den Deckel auf.
    „Ein Soldat bringt gleich das Mittagessen“, erklärte er Banow. „Verstecken Sie sich solange in meiner Laub-hütte!“
    Banow eilte in die Laubhütte und verbarg sich dort, wo­-bei er ein Auge an einen Spalt drückte, durch den sowohl der Alte, als auch das Feuer zu sehen waren.
    Ein Soldat trat mit einem dreistöckigen Henkelmann auf die Lichtung heraus.
    „Guten Tag!“, sagte der Soldat zu dem Alten. „Wie geht es Ihnen?“
    „Danke,

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