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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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durch die dunklen, menschenleeren Straßen.

    Am folgenden Tag ging Dobrynin und Waplachow die Arbeit leicht und angenehm von der Hand. Zwischendurch erinnerten sie sich einige Male an das liebenswerte Mädchen Tanja, und dann weihte der Volkskontrolleur seinen Gehilfen in seine Pläne ein, einen Mantel an den Genossen Twerin zu schicken.
    „Ja, in Moskau sind die Winter hart“, nickte Waplachow und erbleichte ein wenig in der Erinnerung an die Haupt-stadt.
    „In die eine Manteltasche legen wir Papirossi“, fuhr Dobrynin fort, „in die zweite eine Packung ‚Auf dem Posten‘. Er mag diese Kekse sehr.“
    „Wo nehmen wir sie denn her?“
    „Ha!“, lächelte Dobrynin. „Die habe ich noch in Solikamsk im Büfett gekauft.“
    Beim Mittagessen sprach er mit der Genossin Sasonowa, einer bis zur Strenge akkuraten alten Frau, die früher als Direktorin der örtlichen Schule tätig gewesen war. Sie unterstützte die Idee, besonders, als sie erfuhr, dass im Kreml winters schlecht geheizt wurde und Genosse Twerin nur einen Mantel hatte, der ihm zu groß war.
    „Aber schreiben Sie dort unbedingt als Absender unsere Werkstätten hin“, sagte sie.
    Am Abend nähten Waplachow und Dobrynin, nachdem sie einen besonders gut gearbeiteten Uniformantel heraus­gesucht hatten, diesem Zigaretten und eine Packung Kekse in die Taschen ein, dann wickelten sie ihn fest zusammen, verpackten ihn in graues Packpapier und schrieben auf das Paket: „Moskau, Kreml, für den Genossen Twerin“. Unten, unterhalb der Anschrift, zogen sie einen Strich und setzten einen Stempel mit dem Absender der Mantelwerkstätten darauf.
    Der alte Mann auf der Postannahmestelle rümpfte die Nase, bis sie ihm die Anschrift, die auf dem Paket vermerkt war, dicht vor seine dicke Brille hielten.
    Als er sie gelesen hatte, fuhr er zusammen, begann sich zu entschuldigen und setzte sich sogleich ans Telefon, um zu klären, wie man dieses Paket auf dem schnellsten Wege nach Moskau senden konnte.
    „Gehen Sie ruhig“, bemerkte er an dem Hörer vorbei zu Dobrynin und Waplachow. „Sie müssen morgen zur Arbeit, ich mache schon alles … Das verspreche ich!“
    Glücklich kehrten der Urku-Jemze und Dobrynin in ihr Häuschen zurück.
    Dobynin, der neben dem Glücksgefühl plötzlich auch eine starke Müdigkeit verspürte, zog die Schuhe aus und legte sich auf sein Bett. Er legte sich auf den Rücken und schnarchte sogleich los.
    Waplachow beobachtete das als wäre es ein Wunder. Er ging auf Zehenspitzen zu seinem eigenen Bett, entkleidete sich und legte sich gleichfalls hin, wobei er den Rand des Drahtgeflechts unter seiner Matratze mit den Händen festhielt, damit es nicht quietschte.
    Hierbei wusste er noch nicht, dass er einige Minuten später einen wunderbaren Traum über den Genossen Twerin haben würde.
    Nachts, als Dobrynin und Waplachow fest schliefen, ertönte ein leises, doch beharrliches Klopfen am Fenster.
    Dobrynin stand auf, rieb sich die Augen, zündete eine Kerze an, trat in den Flur hinaus und öffnete die Tür zur Straße.
    Vor ihm standen zwei Militärs: ein Soldat und ein Offizier. Ihre Gesichter waren dem Volkskontrolleur bekannt. Aber sein Kopf dröhnte, nachdem man ihn so unvermittelt geweckt hatte, und er hatte ein wenig Mühe, die Dinge zu begreifen.
    Der Unterleutnant blickte den vom Schlaf verquollenen Dobrynin an und lächelte.
    „Verzeihen Sie, dass wir Sie geweckt haben“, sagte er. „Wir wollten einfach die Freude teilen … Vor einer halben Stunde kam die Nachricht vom Sieg …“
    „Vom Sieg?“, fragte Dobrynin erstaunt zurück. „Also haben wir gewonnen!“
    Ein Lächeln erschien auf seinem verschlafenen Gesicht.
    „Es wäre nicht schlecht, das zu feiern …“, begann wieder der Offizier.
    Und er spielte mit einer grünen Feldflasche, die er in seiner rechten Hand hielt. In der Feldflasche schwappte eine Flüssigkeit glucksend hin und her.
    Zehn Minuten später saßen sie bereits gemeinsam mit Waplachow, den sie geweckt hatten, um den Tisch. Außer der Flasche mit Trinkspiritus hatten die Militärs einen halben Laib Brot mitgebracht.
    In der Tischmitte brannte die Kerze, und der Widerschein ihrer Flamme im Fensterglas ließ alles gleichsam noch heller werden.
    Sie verteilten den Spiritus in Tassen und schnitten das Brot, Dobrynin füllte noch Salz in den Salznapf.
    „Also, auf den Sieg!“, sagte der Unterleutnant.
    Sie tranken und aßen Brot mit Salz danach.
    „Jetzt fängt ein ganz anderes Leben an, stimmt’s,

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