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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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und Ausbildungskompanien satirische Werke viel geeigneter wären, die ein Lächeln hervorriefen und eine gute, muntere Stimmung erzeugten. So kehrten Mark und Kusma zu dem zurück, womit sie angefangen hatten – der leichten Satire und lustigen Versen. Damals hatte Urluchow Mark auch mit dem Dichter Twardowski bekannt gemacht. Die Bekanntschaft war kurz, doch für Kusmas Repertoire bedeutsam gewesen, und jetzt war der Papagei der König jedes ihrer Brigadenkonzerte, wenn er im Namen Wasilij Tjorkins dessen Helden­taten, Gedanken und Ansichten zum Besten gab.
    Die Zusammensetzung der Künstlerbrigade wechselte häufig. Coupletsänger, Volkssänger und -sängerinnen, Künstler ungewöhnlicher Genres tauchten auf und wurden wieder abkommandiert. Es waren begabte Leute unter ihnen aber auch mittelmäßige, doch die Soldaten waren ein dankbares Publikum, und alles, was man ihnen auf der improvisierten Bühne hinter der Front zeigte, machte ihnen Freude.
    Vorstellung, Abendessen, das Lächeln des Kochs und der Soldaten, manchmal ein Nachtlager in einer feuchten Erdhütte, die unausweichlichen hundert Gramm Schnaps – wie konnte man anders, als sich daran gewöhnen –, und wieder der Lastwagen, holprige Straßen, Explosionen von verirrten Granaten und hier und da in der Nacht aufsteigende Raketen.
    Im Frühling taute der Schnee. Gelegentlich mussten sie alle in den Schlamm springen und einträchtig den Last­wagen vorwärts schieben.
    Kusma saß dabei im Wageninnern, in seinem Käfig, den ein fester Überzug aus Manteltuch bedeckte – ein Geschenk, das Mark und der Vogel eines Tages nach einem ihrer ersten Konzerte von einem Bekannten aus der Kleiderkammer bekommen hatten. Ein sehr nützliches Geschenk.
    Und nun waren sie wieder auf der Straße unterwegs. Dieses Mal fuhren sie zum Regimentsstab. Bis zur Front waren es dreißig Kilometer. Sie luden ab, die Brigade war erneut klein an der Zahl: zwei begabte und von den Soldaten sehr geliebte Coupletsänger aus der Ukraine – der eine lang wie eine Bohnenstange, der andere kurz und gedrungen, hatte die Form eines Holzschräubchens, wie Mark gesagt hätte –, eine Sängerin russischer Volkslieder, der Dienstälteste ihrer Brigade: Petja Fomin mit seinem dressierten Pudel, und Mark mit dem Gedichte vortragenden Papagei.
    Bis zum Abendessen waren es noch zwei Stunden, und der Diensthabende beim Stab, ein kleingewachsener Hauptmann mit buschigen Augenbrauen, befahl ihnen, ihre Sachen in der Bekleidungskammer zurückzulassen und sich auf ihren Auftritt vorzubereiten.
    Sie dachten, der würde nach dem Essen stattfinden, doch sie hatten sich geirrt.
    Die Stabsoffiziere wollten lieber nach der Vorstellung essen, wenn sie dann schon in guter Stimmung wären.
    Das Gebäude der Dorfschule, das der Stab bezogen hatte, erwies sich als recht angenehm, und als sie sich ein wenig aufgewärmt hatten, gingen die Künstler direkt in den ehemaligen Kulturraum. Zu besprechen gab es nichts, die Reihenfolge änderte sich fast nie: als Erstes Volkslieder über die Heimat und über die Birken, dann die Coupletsänger, Petja Fomin mit seinen Fragen an den Pudel: „Na, wie viele Tage bleiben die Fritzen noch am Leben?“ Darauf der Pudel: „Wau-wau!“ „Richtig“, lacht Petja. „Und wie viele wir?“ „Wu-u-u-u-uuuuu!“, heult der Pudel. Am Ende darauf dann Kusma und Tjorkin.
    Die Stabsoffiziere hatten sich rasch versammelt und die ersten zwei Reihen besetzt, noch sieben leere Reihen gähnten hinter ihnen. Aus der geöffneten Tür schaute ein junger Rekrut heraus. Auch der Hauptmann war da, in der ersten Reihe, sie saßen da und warteten.
    Der Auftritt verlief glatt. Wie es sich gehörte, riefen die Volkslieder auf den Gesichtern der Offiziere innige Sehnsucht und Gedanken an Zuhause hervor.
    Als letzter war Mark mit dem Papagei auf der Schulter herausgetreten.
    Die Offiziere konnten schon nicht mehr aufhören zu lächeln.
    Und der Vogel deklamierte hingebungsvoll, mit lustigen Schnörkeln, als würde er verstehen, welche Intonationen am komischsten wirkten!

    „ … reiben gut mit Schnaps ihn ein.
    Schön verteilt der Schnaps sich richtig …
    Plötzlich wie im Schlaf spricht er:
    Doktor, Doktor, könnt man mich nicht
    damit auch von innen her …“

    Schon lachten die Offiziere lauthals, ihre Lippen bebten.
    Zu Abend aßen sie alle gemeinsam in der Stabskantine an einem langen Holztisch. Wieder Schnaps und Weizengrütze, bei der man nicht wusste, ob mehr Brei oder mehr Butter darin

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