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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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hielt, manchmal auch neben seine Beine auf den Boden stellte.
    Es war nicht weit zu fahren. Zwanzig Kilometer. Dort war noch ein Konzert und dort würden sie auch übernachten, in irgendeiner Erdhütte.
    Der Schnee taute, Schlamm lag auf den Straßen. Marks schwarze Tambower Schuhe waren schon längst braun geworden vom festklebenden Lehm der Straßen.
    Den langen Coupletsänger hat es in einem Schlagloch heftig mit dem Rücken an die hölzerne Kante geschleudert. Jetzt saß er und stöhnte. Der kleine, das Holzschräubchen, wie Mark ihn insgeheim genannt hatte, döste und achtete auf nichts. Die Bujalowa saß schweigend da und beklagte sich auch nicht.
    Als sie ankamen, war es schon dunkel. Der Kommandant der Einheit, ein in die Jahre gekommener Hauptmann, hatte beschlossen, sich hinter einem Hügel gegen die Feinde zu verschanzen, und die Künstler sollten beim Schein des Lagerfeuers vor den Kämpfern auftreten.
    Alles war normal verlaufen. Die Kämpfer hatten sich in einem engen Halbkreis versammelt.
    „Wie viele Tage bleiben den deutschen Fritzen noch?“, fragte Petja Fomin.
    „Wau-wau“, antwortete der Pudel.
    Die Soldaten lachten.
    „Und wie viele uns?“
    „Wu-u-u-uuuuu!“
    „So, Kusma, mach dich bereit!“, flüsterte Mark durch die offene Klappe des verdeckten Käfigs, und Dampf trat dabei aus seinem Mund – bis zum richtigen Frühling war es noch lang hin.
    Die Coupletsänger waren aufgetreten. Sie hatten Hitler schön durch die Mangel gedreht, treffsicher, auf Bauernart, dazu noch mit ukrainischem Akzent – das war wirklich sehr lustig geworden.
    Die Soldaten hatten sie gebeten, noch eine Zugabe herauszurücken.
    Aber jetzt war die Reihe an Kusma. Mark hatte ihn aus dem Käfig geholt und ihn sich auf die Schulter gesetzt – die rechte, sollte der Teufel sie holen. Er würde nach dem Krieg versuchen, Kusma umzugewöhnen.
    Plötzlich ein immer lauter werdendes Pfeifen, Feuer blitzte auf, es krachte. Irgendeine Macht warf Mark zur Seite, und eine Zeitlang flog er, die Augen himmelwärts gewandt, über der dunklen Erde und hielt den Papagei im Arm an sich gepresst. Dann schlug er krachend mit dem Rücken auf. Alles war taub, nur irgendwo in der Brust wurde es heiß, Füße hatte er keine mehr, und auch die Hände spürte er nicht mehr. Und das Atmen ging schwer.
    „Der Künstler! Der Künstler ist verwundet!“, drang von irgendwo aus der Ferne eine leiser werdende Stimme an Marks Ohren. „He! Hierher!“
    Und der Lärm, der ganze lebendige Lärm ringsum, die Stimmen, das Knistern des Feuers, alles, was gewöhnlich in der Luft klang, begann von Mark abzurücken, sich zu entfernen; schon verließen all die Laute wie ein Mensch dieses dunkle Zimmer, in dem er lag. Sie gingen wie ein Mensch hinaus und schlossen hinter sich die Tür. Mark blieb allein.
    Um ihn her war es dunkel und still.

Kapitel 5
    Vor dem Fenster fiel der erste Schnee. Auf der Fensterbank begann das Teewasser zu kochen. Und Banow saß an seinem Tisch und las bereits zum zweiten Mal den neuen Erlass des Narkompros. Der Erlass war schrecklich wortreich und trug zudem noch einen schwerverständlichen Titel. „Erlass über die Ausweitung der Einführung der freiwilligen Internatsunterbringung für Kinder im Schulalter auf dem gesamten Gebiet der Ud SSR “. Der Text des Erlasses, der acht Seiten in kleiner Schrift einnahm, war sogar noch verworrener als der Titel, doch sein Sinn begann sich dem Schuldirektor nach mehrmaligem Durchlesen endlich zu erschließen. Das Narkompros ordnete an, dass unter den Schülern regelmäßig agitiert werden sollte, mit dem Ziel, sie von der Notwendigkeit eines Eintritts in die Kulibinski- oder Suworow-Militär-Lehranstalten zu überzeugen. Es wurde verdeutlicht, dass das Einverständnis der Eltern zum Eintritt in die Lehranstalten nicht erforderlich sei und dass die Eintretenden (und das hieß, alle, die wollten, denn die Aufnahme in die Lehranstalten vollzog sich ohne Aufnahmeprüfungen) zur Fortsetzung ihres Studiums in andere Städte übersiedeln würden, wo sie eine umfassende staatliche Versorgung erwartete, einschließlich einer wöchentlichen Kino-Vorführung, regelmäßigen Ausflügen, dreimal täglicher Verpflegung und ähnlichem.
    Nachdem er seinen Vizedirektor gerufen hatte, befahl Banow ihm, nach dem Unterricht alle Lehrer zu versammeln und ihnen den Erlass vorzulesen.
    Als der Vizedirektor gegangen war, brühte sich Banow endlich einen Tee auf und vergaß die Arbeit.
    Da klingelte das

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