Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
Vom Netzwerk:
hat schon irgendeine Gerade erreicht, also die, die zu uns führt. Jeden Abend um sieben Uhr sollen wir jetzt eine Rakete von beliebiger Farbe pfeilgerade nach oben schießen, zur Orietni … Oriteni …“
    „Orientierung?“, sagte ihm Kalatschew vor.
    „Ja!“ Goroschko nickte mit Blick auf seine Seite. „Es wird befohlen, mit der Vorbereitung des Fleisches für den Abtransport zu beginnen … Was war da noch?“ Der Funker nahm das Heft mit dem Funkspruch in die Hände. „Dem Genossen Dobrynin einen herzlichen Kreml-Gruß und Glückwunsch zu seinem Sohn … man fragt, wie er heißen soll? Marija Ignatjewna geht es gut … Der Krieg ist ausgebrochen … Es wird befohlen, Panik zu vermeiden und bereit zu sein …“
    „Krieg?“, wiederholte der Volkskontrolleur bestürzt. „Mit wem?“
    „Mit den Feinden, wahrscheinlich“, antwortete Kalatschew ruhig. „Na und wenn schon, wir werden siegen! Und dir gratulieren wir zu deinem Sohn!“
    „Mein Sohn?“, fragte Dobrynin, immer noch sehr nachdenklich, zurück. „Danke …“
    „Freust du dich denn nicht?“, wunderte sich der Leiter der Expedition.
    Dobrynin schwieg. Er dachte an Marija Ignatjewna, an das Porträt des Soldaten in ihrem Schlafzimmer, daran, dass nicht weniger als ein Jahr seit ihrer letzten Begegnung verstrichen war. Jetzt gab es da einen Sohn?! Obwohl, dachte der Volkskontrolleur sogleich, Marija Ignatjewna war ihm schließlich keine Ehefrau wie Manjascha. Marija Ignatjewna war seine dienstliche Ehefrau, ihr Sohn war also gleichsam Dobrynins dienstlicher Sohn … Obwohl … Hier verwirrte sich der Volkskontrolleur in seinen Überlegungen endgültig. Da fielen ihm auch noch Manjascha und die Kinder ein. Von ihnen hatte man ihm ja überhaupt nie die kleinste Nachricht überbracht, das war, als würde es sie gar nicht geben …
    „Aber es ist doch besser als ein Mädchen!“ Goroschko zuckte die Schultern, weil er außerstande war zu verstehen, weshalb sein Kamerad sich nicht freute. „Mit einem Sohn hast du keine Sorgen, was kann es da für Sorgen geben?!“
    „Hast du schon beschlossen, wie er heißen soll?“, fragte an dieser Stelle der lahme Dujew, der sich an den Tisch gesetzt hatte und sich über die Glatze strich.
    „Nein, das habe ich noch nicht“, antwortete Dobrynin.
    „Du musst ihm einen guten Namen geben!“, bemerkte Dmitrij Waplachow. „Damit er deinem Sohn später gefällt.“
    Dobrynin sah den Urku-Jemzen mit verhaltenem Unverständnis an.
    „Wie könnten alle gemeinsam beratschlagen!“, schlug Stepan Chramow vor. „Das ist doch ein Festtag für einen Mann! Nicht jedes Jahr wird einem ein Sohn geboren!“
    „Richtig!“, stimmte Dujew ein. „Die Sache muss gebührend gefeiert werden.“
    „Wir geben ihm gleich einen Namen und funken ihn dann nach Moskau!“, trug Funker Goroschko sein Scherflein bei.
    „Aber ja.“ Kalatschew setzte sich gleichfalls an die Tischkiste. „Und die Heimat braucht Soldaten. Die Feinde sind doch zahlreich. In diesen Krieg schafft er es nicht mehr, aber zum nächsten kommt er gerade recht! Auf jeden Fall wird er ein Verteidiger der Heimat!“
    Die Tassen und der Topf mit der trübe-braunen Flüssigkeit erschienen auf dem Tisch. Sie stellten einen Eimer mit Fleisch auf den Ofen und warfen in den Eimer eine Handvoll Salz.
    „Also, auf deinen Sohn!“ Der Chefgeologe hob seine Tasse.
    Sie tranken aus und ächzten.
    „Vielleicht möchtest du ihn Iwaschtschukin nennen?“, schlug der Urku-Jemze vor.
    „Aber das ist doch ein Nachname!“, rief Chramow verwundert.
    „Aber er ist wunderschön!“ Waplachow lächelte verzückt, selbst seine Augen wurden noch schmaler bei diesem Lächeln. „Bei uns gibt man Vor- und Nachnamen gleich auf einmal …“
    „Sein Nachname ist klar – Dobrynin!“, bemerkte Dujew. „Aber Vornamen hat er immer noch keinen …“
    ‚Was für ein Dobrynin ist er denn schon, zum Teufel!‘, dachte der Volkskontrolleur. ‚Obwohl auch Marija Ignatjewna jetzt den Namen Dobrynina trägt …‘
    „Weshalb sagst du nichts, du, als der Verursacher des Ereignisses?“ Kalatschew war nach der ersten Tasse fröhlich geworden. „Du hast es vollbracht, jetzt muss es einen Namen bekommen! Fjodor vielleicht, so hieß mein Opa …“
    ‚Was soll denn mein Kind mit deinem Opa?‘, dachte Dobrynin, und gleich darauf: ‚Was heißt denn hier „mein“ Kind!‘
    „Nenn ihn Wanja!“, riet Goroschko. „Ein zärtlicher russischer Name.“
    Sie tranken noch jeder eine Tasse,

Weitere Kostenlose Bücher