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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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das stachelte die Freunde nur noch mehr an. Um die Wette begannen sie Namen vorzuschlagen. Dobrynin aber wurde zornig. Erst schwieg er, dann sprang er auf und schrie: „Ach, geht doch alle zum Teufel!“, warf sich den Rentierfellmantel über und lief hinaus zu den Hunden.
    Man trank ohne ihn weiter. Niemand war beleidigt, man vergaß einfach den Auslöser des Festes für eine Zeitlang.
    Der hockte sich vor die im Schnee liegenden Hunde hin und klagte ihnen seinen Kummer. Er bat um Rat, bat sie, ein wenig zu heulen. Jedoch die Hunde schwiegen. So vieles hatte er den Hunden bereits aus seinem Leben erzählt, aber ihnen war das egal. Da wurde Dobrynin traurig und immer trauriger und dachte an sein Pferd. Jenes, das Genosse Kalinin ihm geschenkt hatte, noch bevor er zu Twerin geworden war. Irgendwo im Reisesack lag noch sein Pferdeausweis. Irgendwo lag er … Und nun tat es Dobrynin so Leid um das gefallene Pferd, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Mochte es auch schon lange her sein, nun aber fiel es ihm von Neuem ein, so deutlich und klar. Und er dachte an jene Sülze, die Kriwizkijs Stellvertreter, der örtliche Schamane gekocht hatte …
    ‚Ah‘, winkte Dobrynin in Gedanken ab. ‚Ich nenne das Kind Grigorij! Was ist an dem Namen schon Schlechtes? Er ist doch gut. Und wenn er groß ist, schenke ich ihm den Pferdeausweis und ich erzähle ihm, was für ein schweres Leben ich hatte …‘
    Nachdem er endgültig beschlossen hatte, dass der Name des Sohnes Grigorij sein sollte, kehrte Dobrynin zurück in den Wagen und setzte sich auf seinen Platz.
    Waplachow lag bereits auf seiner Liege, erschöpft und betrunken. Am Tisch, den Kopf über sein nicht aufgegessenes Fleisch gebeugt, schnaufte leise Dujew, der gleichfalls außerordentlich leicht und schnell betrunken wurde. Die übrigen kauten Fleisch.
    „Na, und, hast du etwas beschlossen?“, erkundigte sich Funker Goroschko, während er etwas aus den Zähnen heraus stocherte, das da nicht hingehörte.
    „Ja“, antwortete der Kontrolleur ruhig. „Ich nenne ihn Grigorij.“
    „Ein guter Name“, bemerkte Kalatschew zustimmend.
    Chramow bekundete mit einem Nicken sein Wohlgefallen.
    „Vielleicht geben wir es gleich durch?“, schlug der Funker vor.
    „Morgen“, sagte Dobrynin. „Wozu die Eile …“
    Nach diesem kleinen Gespräch zog Dobrynin sich Fleisch aus dem Eimer, zerschnitt es und machte sich gleichfalls ans Kauen.
    „Willst du noch mehr Fleisch?“, fragte ihn Goroschko.
    „Nein!“, antwortete Dobrynin.
    „Dann bringe ich das den Hunden hinaus!“, sagte der Funker, nahm den Eimer und verließ den Wagen.

Kapitel 9
    Nach dem ersten Schnee regnete es während einer ganzen Woche.
    Banow saß tagelang in seinem Büro über dem „Pädagogischen Poem“ von Makarenko. Das „Poem“ erschien ihm ein wenig langweilig, aber geduldig las er es Seite für Seite, wobei er nützliche Gedanken heraussuchte und sie sich einprägte.
    Manchmal ließ er sich von dem Buch ablenken und dachte nach. Er dachte daran, dass er einen neuen Anzug kaufen musste, obwohl gleichzeitig etwas in ihm dagegen protestierte. Er hatte sich einfach sehr an den grünen Stoff seines Uniformkittels gewöhnt, auch wenn er in der letzten Zeit immer öfter statt dieses Kittels ein schwarzes, einfach geschnittenes Sakko trug. Das tat seiner Anhänglichkeit gegenüber der grünen Farbe keinen Abbruch. Es war eine Farbe, die seine Gegenwart mit seiner soldatischen Vergangenheit verband.
    Frei strömten Banows Gedanken dahin, mühelos sprangen sie von einem Gegenstand zum anderen.
    Die Tür zu seinem Büro öffnete sich kurz einen Spaltbreit, und der Schuldirektor sah Vizedirektor Kuschnerenko, der hereinschaute und sogleich wieder verschwand.
    In der letzten Zeit benahm der Vizedirektor sich ein wenig eigenartig, ja verdächtig.
    Gestern hatte er gefragt, warum Banow nicht Radio hörte.
    Vor zwei Tagen hatte er sich sehr dafür interessiert, worüber Banow im Kremlpalast in seinem Aufsatz geschrieben hatte. Banow hatte ihm kurz geantwortet, indem er ihm das Thema des Aufsatzes nannte, doch Kuschnerenko, so schien es dem Schuldirektor, war damit nicht richtig zufrieden gewesen. Was wollte er denn in Erfahrung bringen? Und wozu? Ja, selbst wenn Banow ihm seinen Aufsatz nacherzählt hätte, wäre er wahrscheinlich doch unzufrieden geblieben. Denn es war ein kurzer Aufsatz geworden, nur anderthalb kleine Seiten.
    Banow erinnerte sich an jene paar Stunden, die er in dem riesigen Saal des

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