Der und kein anderer Roman
klar, dass, falls Bobby Tom ihr entwischen sollte, sie ihn nie wieder sehen würde. Er besaß an jeder Ecke ein Haus und ein Heer von Gehilfen, die ihn vor Leuten schützten, die er nicht sehen wollte. Sie musste ihn jetzt in dieser Sekunde aufhalten, sonst wäre ihre Chance auf immer und ewig verpufft.
Bruno saß hinter dem Lenkrad des Mietwagens und fuhr an.
Sie wirbelte zu dem Thunderbird herum. »Nicht wegfahren! Wir müssen doch zum Flughafen.«
»Alles Gute.« Mit einer lässigen Handbewegung begann Bobby Tom rückwärts aus der Ausfahrt zu fahren.
Einen kurzen Moment lang hatte sie die Vorstellung, wie sie zurück nach Shady Acres gehen und dort die Arbeit annehmen würde, die die neuen Inhaber ihr angeboten hatten. Sie roch die Desinfektionsmittel, sie schmeckte die verkochten grünen Bohnen und den Kartoffelbrei mit Mehlsoße. Sie fühlte die Jahre vorbeiziehen, sie sah sich bereits mit Stützstrümpfen und einer dicken Jacke, während ihre von Arthritis geplagten Finger auf dem verstimmten Klavier einen fetzigen Oldie hinzulegen versuchten. Noch bevor sie jemals die Möglichkeit erhalten hatte, jung zu sein, würde sie bereits alt sein.
»Nein!« Der Schrei brach aus ihrer Mitte heraus, dort, wo die Träume lebten, all die wunderschönen Träume, die sich jetzt in Luft aufzulösen drohten.
Sie rannte so schnell sie konnte auf den Thunderbird zu, während ihre Handtasche ihr gegen die Seite schlug. Bobby Tom hatte den Kopf abgewandt, um auf die Straße zu blicken und sah sie nicht kommen. Ihr Herz raste. Gleich würde er weg sein, damit wäre ihr Schicksal einer lebenslänglichen, lähmenden Monotonie besiegelt. Verzweiflung spornte sie an, und sie rannte noch schneller.
Er fuhr aus der Auffahrt und legte den zweiten Gang ein. Sie rannte noch schneller. Ihre Lungen schmerzten. Der Thunderbird beschleunigte, als sie ihn gerade eingeholt hatte. Mit einem Aufschrei warf sie sich kopfüber über die Beifahrertür des Cabrios.
»Himmel und Hölle!« Das plötzliche Bremsen warf sie vom Sitz. Ihre Hände und Oberarme schrammten den Boden, während ihre Füße immer noch über der Tür hingen. Sie versuchte, sich zu sammeln. Kalte Luft fuhr über ihre Schenkel und sie merkte, dass ihr der Rock über den Kopf gefallen war. Entsetzt versuchte sie, ihn zu richten und gleichzeitig den Rest ihres Körpers in den Wagen zu hieven.
Dann vernahm sie eine besonders anstößige Obszönität, die vermutlich unter Footballspielern nichts Besonderes war. In Shady Acres jedoch hörte man so etwas nur äußerst selten. Normalerweise war es lediglich eine Silbe, doch mit Bobby Toms texanischem Akzent wurden daraus zwei. Als sie ihren Rock endlich unter Kontrolle hatte, ließ sie sich atemlos in den Sitz plumpsen.
Ein paar Sekunden gingen ins Land, ehe sie endlich wagte, ihn anzusehen.
Er hatte den Ellenbogen auf das Lenkrad gestützt und betrachtete sie nachdenklich. »Nur um meine Neugier zu befriedigen, Liebling, hast du jemals erwogen, dir von einem Arzt ein Beruhigungsmittel verschreiben zu lassen?«
Sie wandte den Kopf ab und sah angestrengt geradeaus.
»Die Sache ist nämlich die, Gracie, ich befinde mich auf dem Weg nach Telarosa. Und ich habe die Absicht, alleine dorthin zu fahren.«
Ihr Kopf schnellte herum. »Du fährst jetzt los?«
»Mein Koffer liegt im Kofferraum.«
»Ich glaube dir kein Wort.«
»Es ist aber die Wahrheit. Würdest du jetzt die Tür öffnen und hier verschwinden?«
Stur schüttelte sie den Kopf. Hoffentlich würde er ihr nicht anmerken, dass sie am Ende ihrer Nerven angelangt war. »Ich muss mit dir mitfahren. Es ist meine Aufgabe, bei dir zu bleiben, bis du in Telarosa angekommen bist. So ist es mir aufgetragen worden.«
Sein Mundwinkel zuckte. Entsetzt stellte sie fest, dass es ihr endlich gelungen war, seine oberflächliche Freundlichkeit zu vertreiben.
»Zwinge mich nicht, dich hinauszuschmeißen«, sagte er mit tiefer, autoritärer Stimme.
Sie zitterte vor Angst, ignorierte es jedoch. »Ich halte es immer für besser, eine Auseinandersetzung mit einem Kompromiss zu beschließen als mit roher Gewalt.«
»Ich habe in der Nationalliga gespielt, Liebling. Blutvergießen ist die Sprache, die ich verstehe.«
Mit diesen schwer wiegenden Worten wandte er sich seiner Tür zu. Innerhalb weniger Sekunden würde er vor ihr stehen, sie hochheben und auf die Straße setzen. Noch bevor er seine Türklinke berührte, ergriff sie seinen Arm.
»Wirf mich nicht raus, Bobby Tom. Ich weiß,
Weitere Kostenlose Bücher