Der und kein anderer Roman
sie zerquetschen
würde, doch wollte sie nicht in Tränen ausbrechen. Wenn sie es doch täte, würde sie nie mehr aufhören können. Die Tage ihres Lebens erstreckten sich vor ihr wie eine der endlos langen Highways, auf denen sie hierher gefahren waren. Sie hatte sich so viel erhofft und nun so wenig erreicht.
Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie so gesessen hatte, ehe ein Hupen sie aufschreckte. Ihr dunkelblaues Kostüm war viel zu schwer für den heißen Julinachmittag, und die Bluse klebte ihr auf der Haut. Sie erhob sich und blickte lustlos auf ihre Uhr. Eine Stunde war vergangen. Sie musste nach Telarosa, um sich den Scheck abzuholen. Nichts konnte sie länger hier halten, noch nicht einmal ihr Koffer, der in Bobby Toms Kofferraum lag. Sie würde jemanden im Büro beauftragen, ihn für sie abzuholen.
Sie erinnerte sich an einen Wegweiser, dass Telarosa sich lediglich drei Meilen weiter westlich befand. Diese Strecke konnte sie zu Fuß zurücklegen und sich so die Peinlichkeit ersparen, jemanden von Windmill zu bitten, sie zu fahren. Sie mochten ihr vielleicht den Arbeitsplatz wegnehmen, doch ihren Stolz würden sie ihr nicht nehmen können. Sie atmete tief durch und ging quer über das Feld auf die Straße zu, dann lief sie den staubigen Straßenrand entlang.
Kaum eine Viertelstunde war vergangen, als sie merkte, dass sie ihre Kondition bei weitem überschätzt hatte. Die Anspannung der letzten paar Tage, die schlaflosen Nächte, die sie mit Grübeln verbracht hatte, die Mahlzeiten, in denen sie lediglich herumgestochert hatte, hatten sie erschöpft, und ihre schwarzen Pumps waren auch nicht gerade ideal, um lange Strecken zurückzulegen. Ein Kleintransporter raste an ihr vorüber. Sie hob die Hand, um ihre Augen vor dem Staub zu schützen. Keine drei Meilen, ermahnte sie sich selbst. So weit war es nun auch wieder nicht.
Die Sonne brannte ihr auf den Kopf, und der Himmel war blass wie ein Stück Knochen. Selbst das Unkraut am
Straßenrand wirkte ausgedörrt und brüchig. Sie entledigte sich ihrer verschwitzten Kostümjacke und trug sie über dem Arm. Zur Rechten sah sie dann und wann ein Stückchen des Flusses, doch lag er zu weit entfernt, um die Hitze zu dämpfen. Sie stolperte, erlangte jedoch gleich wieder ihr Gleichgewicht. Als sie nach oben blickte, hoffte sie, dass die dunklen kreisenden Vögel keine Geier waren.
Sie ignorierte ihren wachsenden Durst und die Blasen, die die Schuhe an ihren Hacken hinterlassen hatten. Was sollte sie jetzt tun? Ihre finanziellen Rücklagen waren lächerlich gering. Obwohl ihre Mutter ihr einen größeren Teil des Verkaufserlöses des Altenheims angeboten hatte, hatte Gracie abgelehnt. Sie wollte sichergehen, dass ihre Mutter ausreichend Geld zum Leben besaß. Jetzt bedauerte sie, dass sie keine höheren Rücklagen gebildet hatte. Sie würde sofort nach New Grundy zurückkehren müssen.
Ihre Fesseln schmerzten auf dem unebenen Grund, doch sie ging weiter. Ihr Hals war vollkommen ausgetrocknet, ihr Körper verschwitzt. In ihrem Rücken hörte sie einen Wagen herannahen und hob automatisch den Arm, um ihre Augen vor dem Staub zu schützen.
Das Auto, ein silberner Lexus, blieb neben ihr stehen. Das Fenster des Beifahrersitzes glitt nach unten. »Kann ich Sie mitnehmen?«
Gracie erkannte in der Fahrerin jene Blondine, die sich vor ein paar Stunden Bobby Tom an die Brust geworfen hatte. Die Frau war älter, als sie gedacht hatte, vermutlich Anfang vierzig. Sie wirkte wohlhabend und gebildet, als ob sie zwischen den Tennismatches im Club Mineralwasser trinken und einen gut aussehenden ehemaligen Footballspieler dann verführen würde, wenn ihr Ehemann nicht in der Stadt war. Gracie wollte eigentlich keine von Bobby Toms Frauen kennen lernen, doch war ihr zu heiß und sie war zu müde, um das Angebot abzulehnen.
»Danke.« Als sie die Tür öffnete und sich auf den kühlen grauen Sitz fallen ließ, wurde sie vom Duft eines teuren Parfüms und der beschwingten Musik Vivaldis überflutet.
Abgesehen von einem breiten Ehering zierten die Hände der Frau keinerlei Schmuck, doch trug sie erbsengroße Diamanten an den Ohrläppchen. Ihr hellblondes Haar war zu einem seitlich gescheitelten Pagenkopf geschnitten. Eine goldene Kette lag ihr locker über dem elegant geschnittenen eierschalweißen engen Kleid. Sie war schlank und sah sehr gut aus, und die Falten um ihre Augen schienen diese Wirkung lediglich noch zu verstärken. Gracie war sich noch nie in ihrem Leben schäbiger
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