Der und kein anderer Roman
ich darauf bestehen würde. Aber …« So etwas wie Sehnsucht schwang
in ihrer Stimme mit. »Ich war einfach immer so sehr respektabel. Als mein Sohn aufwuchs, habe ich ihn in seiner Freizeit betreut, zu Hause und beim Sport. Im Gegensatz zu all den Geschichten, die er in die Welt setzt, hatte Bobby Tom eine ganz normale Jugend.«
»Sie sehen aber nicht annähernd alt genug aus, um seine Mutter zu sein.«
»Ich bin zweiundfünfzig. Hoyt und ich haben eine Woche nach meinem Schulabschluss geheiratet. Bobby Tom wurde neun Monate später geboren.«
Sie sah fast zehn Jahre jünger aus. Wie gewöhnlich, stachelte jemand so Interessantes Gracies Neugier an, und sie konnte nicht widerstehen, ein wenig nachzuhaken.
»Haben Sie jemals bereut, so früh geheiratet zu haben?«
»Nie.« Sie lächelte Gracie an. »Bobby Tom sieht seinem Vater gespuckt ähnlich.«
Obwohl Suzy ihre eigene Neugier sehr gut kaschierte, spürte Gracie doch, wie sich Suzy fragte, was eine graue Maus mit langweiliger Kleidung und einem miserablen Haarschnitt mit ihrem charmanten Sohn zu tun haben könnte. Doch da Gracie mittlerweile wusste, mit wem sie sprach, konnte sie sich kaum über sein Benehmen beschweren.
Sie fuhren über ein Bahngleis und näherten sich dem Stadtzentrum. Gracie sah mit einem Blick, wie sehr sich Telarosa bemühte, die eigenen Probleme der Welt vorzuenthalten. Um die Tatsache zu verschleiern, dass viele Läden leer standen, nutzten Bürgerinitiativen die Schaufenster für ihre Zwecke. Sie sah ein Handwerkerprojekt, wo früher ein Schuhladen gewesen war, und in einem ehemaligen Buchladen warben Poster für eine Autowäsche. Die Anzeigentafel eines verlassenen Kinos kündigte das Himmelsfest an: HIMMELSFEST: IM OKTOBER BESUCHT DIE WELT TELAROSA! Andererseits wirkten einige Läden nagelneu: eine Kunstgalerie
mit texanischem Motiv, ein Juwelier, der Silberarbeiten anpries, ein viktorianisches Haus, das in ein mexikanisches Restaurant inklusive des schmiedeeisernen Geländers auf der Veranda umgewandelt worden war.
»Es ist ein hübsches Städtchen«, bemerkte Gracie.
»Telarosa hatte wirtschaftlich schwer zu kämpfen, doch die Rosatech Electronics hat uns über Wasser gehalten. Wir sind an der Fabrik etwas außerhalb der Stadt vorbeigefahren. Leider scheint der neue Besitzer es sich in den Kopf gesetzt zu haben, die Fabrik zu schließen und die hiesige Produktion in eine andere Fabrik in die Nähe von San Antonio zu verlegen.«
»Und was wird dann geschehen?«
»Dann wird Telarosa sterben«, erwiderte Suzy ohne Umschweife. »Der Bürgermeister und der Stadtrat bemühen sich um den Tourismus, um diesem Schicksal zu entgehen, doch liegen wir so weit ab vom Schuss, dass dies ein schwieriges Unterfangen sein wird.«
Sie fuhren an einem Park mit hübschen Beeten und einer alten Eiche vorbei, unter deren Schatten ein Kriegerdenkmal stand. Gracie kam sich sehr egoistisch vor. Im Vergleich zu der Katastrophe, die diesem hübschen Städtchen bevorstand, fielen ihre Probleme wirklich nicht weiter ins Gewicht. Nach einer Kurve fuhr Suzy vor dem Cattleman’s Hotel vor. Sie stellte den Motor aus und nahm den Fuß von der Bremse. »Gracie, ich habe keine Ahnung, was zwischen Ihnen und Bobby Tom vorgefallen ist. Doch ich weiß, ungerecht ist er nicht. Falls er Ihnen irgendwie Unrecht getan hat, bin ich mir sicher, dass er es ausbügeln wird.«
Wohl kaum, dachte Gracie. Wenn Bobby Tom erfahren würde, dass man ihr gekündigt hatte, würde er sich vor Freude die Lippen lecken und die ganze Stadt zum Essen einladen.
6
Bobby Tom zog seinen Stetson ab, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, setzte ihn wieder auf und musterte Willow kühl. »Habe ich das auch wirklich richtig verstanden? Du hast Gracie gekündigt, weil ich bis Montagmorgen nicht hier gewesen bin?«
Sie standen neben dem Produktionslaster. Es war kurz nach sechs, und sie hatten eben mit den Filmarbeiten für den heutigen Tag abgeschlossen. Bobby Tom hatte die meiste Zeit damit verbracht, entweder in der Hitze herumzustehen und zu schwitzen oder aber jemanden um sich herum zu haben, der sich um sein Haar kümmerte. Beides fand er nicht sonderlich aufregend und hoffte, die Sache würde sich morgen etwas interessanter gestalten. Bisher war seine einzige schauspielerische Leistung die gewesen, aus der Hintertür eines Hauses zu treten, seinen Kopf in einen Eimer mit Wasser zu stecken und auf die Koppel zuzugehen. Sie hatten ihn aus jedem nur möglichen Winkel gefilmt. David
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