Der und kein anderer Roman
Braun noch ein leuchtendes Blau, sondern ein schwer zu beschreibendes Grau. Ihr Mund war zu breit, ihr Kinn zu stur. Sie war nicht dankbar für die schöne Haut, die unter den Sommersprossen hervorlugte. Noch war sie stolz auf ihre kleine und gerade Nase. Stattdessen war sie dankbar für die wichtigeren Geschenke, die Gott ihr mitgegeben hatte: Intelligenz, einen lebhaften Sinn für Humor und ein unstillbares Interesse an allen Aspekten menschlichen Seins. Sie redete sich ein, Charakterstärke sei ohnehin viel wichtiger als Schönheit. Nur wenn sie wirklich deprimiert war,
wünschte sie sich, sie könnte ein wenig ihrer Gradlinigkeit, einen Millimeter ihrer Tugendhaftigkeit, ein Körnchen ihres Organisationstalentes gegen eine größere Körbchengröße eintauschen.
Endlich wurde die Tür geöffnet und unterbrach ihre Gedanken. Sie stand einem der hässlichsten Männer gegenüber, den sie jemals gesehen hatte – einem Riesenkoloss mit breitem, gedrungenen Nacken, einem Glatzkopf und ausladenden Schultern. Interessiert betrachtete sie ihn, während ihr Blick über seinen dunkelblauen Anzug, das weiße Hemd und die schwarzen Schuhe wanderte.
»Ja, und?«
Sie richtete sich auf und hob ihr Kinn. »Ich bin gekommen, um Herrn Denton zu sprechen.«
»Das wird aber auch Zeit.« Unvermittelt ergriff er ihren Arm und zog sie ins Haus. »Haben Sie Ihre eigene Musik mitgebracht?«
Die Frage überraschte sie so sehr, dass sie den Flur nur noch im Hintergrund wahrnahm: Terrakottafliesen, eine riesige Wandskulptur aus Aluminium und ein Granitfelsen, auf dem ein Samuraihelm thronte. »Musik?«
»Himmel noch mal, ich habe Stella doch gesagt, sie soll dir ausrichten, dass du deine eigene Musik mitbringst. Also gut, vergessen wir das. Ich habe noch das Band, das das letzte Mädchen hier gelassen hat.«
»Welches Band?«
»Bobby Tom ist in der Sauna. Die Jungs und ich wollen ihn überraschen. Warte hier, bis ich alles vorbereitet habe. Dann gehen wir gemeinsam rein.«
Mit diesen Worten verschwand er hinter einer japanischen Wand zu ihrer Rechten. Sie starrte ihm nach, hin und her gerissen zwischen Beunruhigung und Neugierde. Offenbar hatte er sie mit jemandem verwechselt. Da Bobby Tom Denton jedoch keinerlei Telefonate von den Windmill Studios
entgegennahm, erwog sie, dieses Missverständnis zu ihren Gunsten zu nutzen. Die alte Gracie Snow hätte geduldig auf seine Rückkehr gewartet, um ihm ihre Anwesenheit zu erläutern. Die neue Gracie Snow aber sehnte sich nach einem Abenteuer. Sie folgte der aufpeitschenden Musik und tappte den sich windenden Flur entlang.
Die Zimmer, an denen sie vorbeikam, waren unglaublich. Insgeheim war sie von jeher schon sehr sinnlich gewesen, und der Anblick allein befriedigte sie nicht. Es juckte sie in den Fingern, die rauen Skulpturen auf Eisensockeln zu berühren oder die Granitblöcke, auf denen unregelmäßig geschnittene Tischplatten ruhten, die an prähistorische Bäume erinnerten. Sie wollte mit den Fingern über die Wände fahren, von denen manche in hellem Grau gehalten waren, während andere mit gebleichtem, an Asche erinnernden Leder bespannt waren. Die tief liegenden, mit Leinen oder Zebrahaut bespannten Möbel zogen sie an. Und der Duft von Eukalyptus, der von den alten Gefäßen rührte, kitzelte ihre Nase.
Der Eukalyptusduft wurde plötzlich von Chlor überdeckt. Als sie einen riesigen Felsen umrundete, der elegant aus der Wand heraustrat, riss sie verblüfft die Augen auf. Der Flur endete in einer luxuriösen Grotte, deren Wände aus sandgestrahltem Glas bis zum Dach reichten. Ausgewachsene Palmen, Bambus und andere exotische Pflanzen wuchsen in Beeten inmitten des schwarzen Marmorbodens und verliehen der Grotte sowohl einen tropischen als auch prähistorischen Flair. Das schwarzgekachelte, asymmetrisch geformte Schwimmbecken schien wie ein entlegener See, an dem Dinosaurier gerne ihren Durst gestillt hätten. Selbst die hochmodernen Liegestühle und klobigen Tische, die aus flachen Felsen geformt waren, verstärkten diese natürliche Atmosphäre.
So prähistorisch das Ambiente auch wirken mochte, die
Gäste ihrerseits waren überaus modern. Es mochten an die dreißig Leute in der gemischten Gruppe sein. Alle Frauen waren jung und schön, während die muskulösen Männer, sowohl schwarze als auch weiße, über breite Nacken verfügten. Von Footballspielern hatte sie keine Ahnung, lediglich deren schlechter Ruf war bis zu ihr vorgedrungen. Während sie die knappen Bikinis der
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