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Der unersättliche Spinnenmann

Der unersättliche Spinnenmann

Titel: Der unersättliche Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutierrez
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verkaufen, sie übers Ohr zu hauen, sie zu beklauen, was auch immer und wie auch immer. Irgendwie nimmt man ihnen immer einen Dollar ab. Aber die Touristen dringen nicht bis in die Tiefen der Hölle vor. Sie machen ihre Fotos lieber vom Malecón aus. Ist wohl ein großes Abenteuer, sich das Erdbeben vom Rand aus zu besehen statt vom Epizentrum aus.
    Ich ging die Esperanza-Straße hinunter Richtung Cuatro Caminos. Das ist ein Stadtteil, in dem nur Schwarze wohnen. Ich weiß nicht, wieso. Man sieht keine Weißen. Alle sitzen auf dem Gehsteig und tun nichts. An einer Ecke vor der Bäckerei eine Mulattin mit dem linken Arm in Gips. Sie schlägt einen Jungen von zwölf, dreizehn Jahren. Heftig haut sie ihm auf den Kopf. Dabei benutzt sie ihren eingegipsten Arm wie einen Knüppel. Sie schlägt ihn und schreit ihn an. Der Bursche erträgt die Schläge und sieht sie herausfordernd an. Ohne mit der Wimper zu zucken. Und weint nicht. Sie muss seine Mutter sein, und sie ist schwanger. Sie hat nur einen kleinen Bauch, von wenigen Monaten. Sie schlägt den Jungen außer sich vor Wut und schreit ihn an. Der Junge erträgt es und rührt sich nicht. Er presst die Lippen zusammen und senkt nicht den Blick. Sie schreit ihn an:
    »Heul endlich! Heul!«
    Der Typ weint nicht. Er ist ein kräftiger Bursche. Hat schon ordentlich Muskeln und bekommt ein kantiges Gesicht. Er wird zum Mann und hält die Tränen zurück. Ein Mann weint nicht auf der Straße, vor allen Leuten. Nicht einmal, wenn man ihn zu Tode prügelt. Sie schlug ihn immer noch voller Wut. Der Schädel hätte ihm platzen können. Sie wurde immer hysterischer und schrie:
    »Heul, verdammt noch mal, heul endlich!«
    Ich ging mit meiner Tasche weiter. Der Donner war sehr laut und folgte dicht aufeinander. Ich erreichte Cuatro Caminos und lief zur Bushaltestelle. Dort wartete ich eine Weile. Es begann zu regnen. Der Asphalt ließ die ersten Regentropfen verdampfen. Der Regen wurde schnell stärker und entwickelte sich zum Wolkenbruch. Von der Straße ging eine brutale Hitze aus. Ich spürte sie in meinem Gesicht. Wie eine knallheiße Sauna. Und es regnete immer heftiger. Mit einem Südwind, der das Wasser in die Hauseingänge drückte. Dann, endlich, wurde es frischer. Welch eine Erleichterung. Es goss wie aus Kübeln, mit Windböen, Blitz und Donner. Die Frauen bekreuzigten sich. Die Straße war in wenigen Minuten überschwemmt. Auf dem Boulevard vom 10. Oktober und den umliegenden Straßen sind die Abflüsse total überwuchert. Die Abflüsse und alles andere auch. Alles ist überwachsen, und nach solchen Wolkenbrüchen stürzen manche Gebäude ein. Es ist eine echt volkstümliche Gegend. Wirklich sehr volkstümlich.
    Zwei Busse voll gestopft mit Leuten kamen vorbei. Hielten nicht mal an. Zu Fuß lief ich unter den Vordächern Richtung Malecón und wurde ein bisschen nass dabei. Beim Gehen machte ich mir einen Spaß daraus, den Frauen des Viertels hinterherzusehen. Die Gegend haut den stärksten Mann um, aber die Frauen sind so gemacht, dass sie einen wieder hochbringen, alles an einem in die Höhe bringen. Die meisten sind vulgäre, laute, verlotterte Luder. Nur wenige sind ein bisschen besser gekleidet und stechen hervor. Was mir am meisten gefällt, ist, dass sie alle verschieden sind, so wie es einmal eine spanische Freundin sagte: »Amüsier dich jetzt, denn wenn ihr erst alle ganz homogen seid, wie in Europa, dann wird’s richtig langweilig.«
    Ich sah den Frauen nach und dachte, es gibt sie nicht, die ideale Frau. Es gibt überhaupt nichts Ideales. Alles, was einmal ideal sein wollte, wurde vom Zeitgeist platt gemacht: Schwindel erregendes Chaos, Geld und Durcheinander. Verdammte Scheiße noch mal!
    Als ich am Malecón ankam, regnete es nicht mehr. Ich lief bis zur Reifenwerkstatt von Trucu, um mit dem Kompressor den Reifen aufzupumpen. Trucu ist ein uralter Freund. Wir haben oft und ordentlich zusammen gesoffen. »Du gehst fischen heute Nacht, Kumpel?«
    »Ja, Trucu, ich will die Fischwanderung ausnutzen. «
    »Ah, und wie die beißen! Meine Hausnachbarn sind gestern gegangen und haben sieben riesige Rotbarsche gefangen.«
    »Ist ja Wahnsinn, Mann!«
    »Ja, aber sie sind im Ruderboot rausgefahren. Mit diesem Reifen da geht’s nicht so leicht.«
    »Na wenn schon, ein oder zwei hol ich schon raus.«
    Ich stieg in meine Wohnung hinauf. Zog mir alte Klamotten an. Trucu half mir, alles bis zu den Riffs zu schleppen, und ich warf mich ins Wasser. Langsam wurde es dunkel. Der

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