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Der unersättliche Spinnenmann

Der unersättliche Spinnenmann

Titel: Der unersättliche Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutierrez
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weitere, viel bescheidenere Ruderboote. Und schließlich fünfzig oder sechzig Typen wie ich, die mit dem Hintern im Wasser trieben.
    Ich paddelte noch ein bisschen und entfernte mich, so weit es ging, von den andern. Ich mag kein Durcheinander, wenn’s ums Fischen geht. Die Sandbank ist unwahrscheinlich lang, aber die Angler haben die bescheuerte Angewohnheit, einem auf die Pelle zu rücken, wenn sie sehen, dass die Fische irgendwo ganz besonders gut beißen. Man muss schon Bescheid wissen. Der rote Schnapper schwimmt dahin, wo er die kleinen, bunten Fische fressen kann, die in den Riffs der Untiefe wohnen. Das Wichtigste ist, zu wissen, wo der Rand der Untiefe verläuft, die Leine mit den Haken dort auszuwerfen, sie ein wenig hin und her zu bewegen und geduldig zu warten, bis der Gegner einen Fehler macht und den Löffel schluckt, weil er meint, das ist eine Sardine. So rammt er sich den Haken tief in die Kehle.
    Nach einer halben Stunde biss einer an. Ich gab ihm drei, vier Meter Schnur. Der Typ zog und schluckte und haute sich den Haken richtig rein. Ich sagte ihm:
    »Okay, Kumpel, jetzt bist du am Arsch. Du wirst schon müde werden, und ich hab keine Eile.«
    Und wir begannen das Spiel. Er schwamm nach unten, ins tiefe Wasser. Wenn er da eine Höhle fand, konnte er mich aufs Kreuz legen, denn die scharfen Kanten der Felsen zerschneiden die Nylonschnur. Er ging mindestens sechzig Faden in die Tiefe. Er hatte sich ordentlich erschrocken und schwamm sicher zitternd vor Angst. Er fühlte wohl schon, dass ein Kampf auf Leben und Tod begonnen hatte. Ich hatte noch viel Leine auf der Spule, aber ich musste klug damit umgehen. Ich bremste ihn sanft, ohne plötzlichen Ruck, und sagte ihm:
    »Denk dran, dass du einen Stahlhaken in der Kehle stecken hast, Kleiner, du bist nicht mehr frei. Du gehörst mir. Komm. Steig hoch. Steig hoch, Kleiner, jetzt gehörst du mir.«
    Der Typ gab ein winziges Stückchen nach. Nicht viel, aber ich spürte, dass er eine Atempause wollte. Nein. Auf keinen Fall. Ich holte die Schnur ein und zog ihn langsam zu mir heran. Manchmal ließ er sich ziehen, aber riss dann immer wieder an der Leine, um freizukommen. Er schaffte es nicht. Der Haken saß ihm zu fest im Hals. Als er merkte, dass er an der Oberfläche war, und das wärmere Wasser spürte, erschrak er. Er riss heftig an der Schnur und tauchte wieder ab. Ich musste noch mal Leine geben. Aber ich hielt ihn doch leicht zurück. Der Kerl schwamm jetzt schon ganz nervös und ziellos umher. Er war dabei, die Kontrolle zu verlieren. Die Panik in ihm war ein Vorteil für mich. Verzweifelt suchte er nach einer Höhle, um sich verstecken zu können. Ich sagte ihm:
    »Genau das musst du machen: Schwimm ziellos umher. Mach dich müde, Kleiner, mach dich richtig müde und lass los. Gib auf, Kumpel, und such erst gar nicht weiter, hier gibt’s keine Höhlen für dich.«
    Ich hatte alles im Griff: Ich war nicht nervös, hatte keinen Angelhaken quer in der Kehle, der mir das Innere zerriss, wurde nicht herumgeschleift und gezwungen, meinen Platz zu verlassen, und musste mir auch keine Höhle suchen, um mich zu verschanzen. Nichts dergleichen. Alles war in meiner Hand. Ich hatte die Macht. Die absolute Macht. Wenn man die totale Macht hat, wächst auch der Hurensohn, den wir alle in uns tragen, gewaltig.
    Ich war fröhlich und fühlte mich meines Sieges sicher über den hirnlosen Depp, den ich da am Haken hatte. Und ich lachte lauthals, während ich ihm zuschrie:
    »Mach schon, du Sack, mach schon. Gib schon den Löffel ab, jetzt geht’s nach draußen.«
    Aber der Schnapper ist ein starker Kämpfer. Und er ist schlau. Genauso wie der Barrakuda und der Marlin. Er kämpft geschickt, gibt nicht leicht auf und wird nicht schnell müde. Ein Schnapper kann gut eine ganze Stunde kämpfen und schließlich die Schnur kappen und entwischen. Mit zerfetztem Maul, aber er entkommt. So sind mir schon eine ganze Reihe entwischt. Wenn sie den Haken nicht gut schlucken, hat der Angler schlechte Karten. An all dies dachte ich und sagte ihm:
    »Ist ja gut, Kumpel, das Spielchen ist aus. Komm schon, komm raus.«
    Ich begann, die Schnur einzuholen, und legte den Knüppel zurecht. Der Kerl war müde geworden. Ich bewegte mich schnell. Holte die Leine ein, und der Fisch gab nach, hatte keine Kraft mehr. Plötzlich kam er direkt zwischen meinen Beinen aus dem Wasser. Schnell schnappte ich mir den Knüppel und gab ihm einen kräftigen Schlag auf den Kopf. Er schlug noch einmal

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