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Der unersättliche Spinnenmann

Der unersättliche Spinnenmann

Titel: Der unersättliche Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutierrez
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dass sie ohnmächtig vor mir zusammenbrach.«
    »Ah, jetzt weiß ich. Eine von den Nutten, mit denen Papi sich herumgetrieben hat?«
    »Ja, aber bei dieser ging es zu weit. Und meine Ehe war kurz davor, in die Brüche zu gehen. Das durfte nicht sein. Ich konnte doch nicht zulassen, dass er mich verließ, mit zwei kleinen Kindern, wegen so einer Scheißnutte.«
    »Wer war es denn?«
    »Du kennst sie nicht, das war im Jahr einundsechzig.«
    »Da war ich elf. Und immer mit ihm unterwegs in Sloppy Joe’s Bar.«
    »Du hattest es auch faustdick hinter den Ohren. Du hast mitgekriegt, wie er mit den Nutten rummachte, und mir nie was gesagt.«
    »Ich hab ja gar nichts mitgekriegt, hahaha … Damals habe ich mich in ein Flittchen verliebt, das jeden Abend an der Bar vorbeikam, hahaha. Hab ich mein ganzes Leben nicht vergessen. Die war verdammt hübsch!«
    »Du schlägst ganz nach deinem Vater, du Ferkel. Der hat wenigstens seine Ehe und seine Familie gerettet, aber du …«
    »Ich bin ein Desaster, ich weiß.«
    »Ah, na ja … nimm den Dolch. Wozu sich an so unangenehme Sachen erinnern?«
    »Nein, nein. So kommst du mir nicht davon. Erzähl mir die ganze Geschichte.«
    »Na ja, die war zwar ganz hübsch und so, aber eigentlich eine alte, aufgeplusterte Henne, und ich musste dafür sorgen, dass das aufhörte.«
    »Und da hast du ihr eingeheizt und sie bedroht? Bist in den Puff gegangen?«
    »Sie arbeitete in einem Klamottenladen, einen Block vom Fluss entfernt. Eines Tages passte ich sie ab, um sieben, nachdem sie zugemacht hatten, packte sie am Arm und sagte: ›Komm mit, wir müssen reden.‹«
    »Verdammt, Alte, wie bei der Mafia! Du bist ja knallhart!«
    »Hahaha, sie hat sich so erschrocken, dass sie zu zittern anfing und ihr der kalte Schweiß ausbrach. Und als wir am Fluss ankamen, holte ich den Dolch raus und sagte: ›Ich werd’s kurz machen. Entweder du lässt meinen Mann in Ruhe, oder ich schneid dir das Herz in Stücke und schmeiß dich in den Fluss, damit dich die Haie fressen. Ich lass dich verschwinden, du Schlampe.‹«
    »Verdammt, Alte, du bist ja richtig durchgedreht!«
    »Was hätte ich denn machen sollen, wenn dein Vater mich mit euch zwei Kleinen verlassen hätte? Sollten wir etwa verhungern? Dank dieses Dolchs konnten du und dein Bruder in ordentlichen Verhältnissen aufwachsen.«
    »Was hat die Frau gemacht?«
    »Sie fing an zu weinen. Krokodilstränen. Nutten heulen leicht. Und dann hat sie gesagt, dass sie ihn nicht wiedersehen werde. Ich hab ihr gesagt: ›Das reicht nicht. Du wirst ihn nicht mehr sehen und dir außerdem einen anderen suchen. Ich will dich mit einem anderen sehen. Du sollst dich im ganzen Viertel mit einem anderen zeigen, damit er die Lust auf dich verliert. Sonst bring ich dich wirklich um, du miese, kleine Nutte. Ich werde zur Bestie, wenn es darum geht, das zu verteidigen, was mir gehört.‹ Und da ist sie ohnmächtig geworden. Verlor einfach das Bewusstsein und fiel zu Boden. Ich bin abgehauen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du so hübsch warst.«
    »Doch, das war ich. Dein Vater machte aber immer mit drei, vier Nutten rum. Es reichte ihm nicht, zu Hause eine anständige Frau zu haben. Wenn er nicht auf seine Familie aufpasste, dann musste ich das eben tun.«
    »Okay, das ist lange her. Beruhige dich, sonst kriegst du noch ‘nen Infarkt.«
    Sie wurde nachdenklich und sagte: »Ich habe sehr gelitten, als meine Eltern sich trennten und die Familie auseinander fiel. Wir wurden bettelarm. Mit meiner Ehe und mit euch sollte doch nicht dasselbe passieren.«
    Ich starrte auf den Dolch und dachte, dass mein Vater vielleicht deshalb ein stiller, melancholischer Mann gewesen war. Er lebte zwischen zwei Welten.
    »Gut, Alte, danke für das Geschenk. Nun hör schon auf, traurig zu sein. Ich geh auf einen Schluck in die Bar.«
    »Kommst du zum Essen?«
    »Ja. Heute Nacht bleibe ich hier, morgen fahre ich wieder nach Hause.«
    »Pass auf in der Bar. In diesem Viertel gibt es von Tag zu Tag mehr Halunken.«
    »Okay.«
    In der Bar sind die Suffköppe, die immer da sind, ein Radio nervt mit lauter Musik. Zu viel Krach. Ich kaufte eine halbe Flasche Rum und eine Zigarre und zog wieder ab. Ich machte einen großen Bogen, um nicht wieder zum Haus meiner Mutter zu gelangen, und ging zum kleinen Friedhof von El Calvario, auf einem Hügel außerhalb des Viertels. Es war sechs oder sieben und wurde langsam dunkel. Auf einer Seite des Friedhofs stehen eine Reihe Bäume, die schönen Schatten werfen.

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