Der unersättliche Spinnenmann
dein Leben lang bereuen. Gilberto ist ein großartiger Mensch. Ein Caballero im besten Sinne des Wortes. Ich glaube, du solltest auf keinen Fall damit weitermachen. Auf keinen Fall!«
Er bekam keine Antwort. Die beiden Frauen bissen sich auf die Lippen. Eduardo wandte sich wieder mir zu:
»Was sagst denn du dazu als reifer Mann, der vernünftig nachdenkt?«
Teresa wehrte sich empört:
»Wir Frauen denken genauso vernünftig wie ihr!«
»Ihr seid viel zu verwirrt, Teresa.«
»Das ist nicht wahr. Und wenn wir es sind, dann gibt’s immer einen Grund dafür. Du weißt genau, dass diese Beziehung keinen Sinn mehr macht. Es ist ja keine Liebe mehr da.«
»Die Liebe ist nur ein Teil der Ehe. Da gibt’s auch Interessen.«
»Die Liebe ist das Wichtigste.«
»Nicht immer. Doch eigentlich finde ich, es reicht jetzt. Du hast Recht, wir sind hier, um uns zu amüsieren …«
Teresa trank auf einen Schluck ihr Glas aus und gab zurück:
»Doch, doch. Doch, doch. Warum nicht? Du hast das Thema unbedingt haben wollen, und wenn wir schon so weit sind, dann können wir auch weitermachen. Ich will dir mal was Grundsätzliches sagen: Ana Maria ist schon seit langem unglücklich und leidet immer mehr. Ihr psychisches Leiden kann schlimme Ausmaße annehmen. Deswegen meine ich, dass sie sich unbedingt scheiden lassen muss. Und je eher, desto besser. Sie darf keine Zeit verlieren.«
»Du bist zu emotional, Teresa.«
»Ich bin ein menschliches Wesen, Eduardo. Nicht ein Computer wie du.«
»Oh, was sagst du da? Halt mal, stopp!«
»Ich rede von Gefühlen, mein Lieber.«
»Die muss man immer mit der Vernunft in Einklang bringen, meine Liebe. Sag du mal, Kubaner, du bist doch …«
Teresa machte eine Geste, als wolle sie ihn unterbrechen. Eduardo kam ihr zuvor:
»Unterbrich mich bitte nicht. Lass es mich dem Kubaner erklären, der ist unparteiisch, und das hier ist wichtig: Ana Maria und Gilberto haben zwei Töchter, ein wunderschönes Haus, zwei Autos. Sie haben alles, was sie brauchen. Gilberto hat einen erstklassigen Job von internationalem Rang mit besten Aussichten. Sie leben weit über dem Standard. Sehr weit drüber! Und wenn wir mal ehrlich sind, dann deckt das, was ihr an der Universität verdient, doch nicht einmal die Ausgaben für Fitness-Studio, Kosmetika, Friseursalon, Massagen, Sauna und so weiter. Nicht einmal dafür!«
»Ach, jetzt übertreib aber nicht!«, sagte Teresa.
»Ich übertreib überhaupt nicht. Ich bin es doch, der die Rechnungen bezahlt. Und ich weiß, was ich sage. Ich kann’s dir beweisen, mit den Rechnungen in der Hand. Du kriegst ja gar nicht mit, wie viel das jeden Monat ist. Und da soll Ana Maria einen gut situierten Mann verlassen – einen Mann, der eine tolle Zukunft vor sich hat, einen Mann, der sie braucht – bloß weil ihr gerade danach ist? Einen Mann, der sie übrigens auch liebt – alles für eine unsichere Zukunft in Armut und Mittelmäßigkeit?«
»Sie lieben sich nicht mehr, Eduardo.«
»Ich glaub nicht an diese absolute Liebe. Wir haben auch unsere kleinen … äh … Situationen.«
»Oh, ich bitte dich, bei uns ist es noch schlimmer. Und das weißt du.«
Ein Gitarrenspieler begann mit einer Improvisation. Mir schien, als fühle Ana Maria sich nicht wohl. Ich griff nach ihrer Hand, und sie drückte die meine, als sei es eine Planke mitten im Ozean. Ich flüsterte ihr ins Ohr:
»Möchtest du ein bisschen tanzen?«
»Ja, bitte.«
»Entschuldigt uns bitte. Wir lassen euch ein Weilchen allein.«
Eduardo und Teresa stritten heftig. Wenigstens kam es mir so vor. Wir gingen auf die Dachterrasse hinaus. Es war unmöglich, zu dieser Musik zu tanzen. Wir lehnten uns an die Brüstung. Vom fünfundzwanzigsten Stockwerk auf eine Stadt hinunterzusehen ist immer interessant. Ich sagte:
»Denen scheint der Alkohol zu Kopf gestiegen zu sein.«
»Ich schäme mich vor dir.«
»Ach, lass doch die Förmlichkeiten.«
»Wenn sie trinken, streiten sie. Immer.«
»Das ist doch nur gut. Dann lassen sie’s wenigstens raus.«
Zum Glück wollte Ana Maria nicht weiter drüber reden. Es wurden jetzt Boleros gesungen. Wir tanzten, tranken noch was. Wir waren schon ganz gut drauf, als wir Eduardo und Teresa ganz innig neben uns tanzen sahen. Sie waren auch ziemlich betrunken.
Ana Maria wollte ein bisschen Zärtlichkeit. Ich gab sie ihr. Wir tanzten eng umschlungen, streichelten uns. Ich merkte, dass sie sehr offen war, und wurde offensiver. Gut, es gefiel ihr. Da hatte ich eine Zeit lang
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