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Der unersättliche Spinnenmann

Der unersättliche Spinnenmann

Titel: Der unersättliche Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutierrez
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nichts, habe ich gesagt. Trink bloß nichts heute Abend! Wir haben zu reden, und du musst klar im Kopf sein. Sei ja nicht besoffen.«
    Ich stehe da und schaue sie an. Ohne ein Wort. Schnell streift sie die Schuhe über, schnappt sich ihre Tasche und rast die Treppe runter. Sie muss vor acht in der Pizzeria sein. Nach acht Uhr abends kommt sie zurück. Und dann gibt’s Zoff.
    Ich gehe auf die Dachterrasse hinaus, schaue mir das Meer und den Sonnenaufgang an und trinke Julias Kaffee. Es ist ein bisschen kühl. Ich trinke langsam und denke: Vielleicht war ich im früheren Leben ein arabischer Scheich oder ein Sklavenhalter mit einer riesigen Hacienda und einem großen Herrenhaus mit vielen Zimmern. Und meinen Frauen darin. Eine in jedem Zimmer, und ich war der Begründer ganzer Generationen. Ein Schöpfer des Neuen. Ich im Mittelpunkt, mächtig und reich. Jede Frau war meine Königin und meine Sklavin. Das möchte ich jetzt gern auch wieder machen. Vier oder fünf Frauen haben. Oder zehn, zwölf. Keine Ahnung. Alle, die mir gefallen. Sie verführen. Sie betören, bis sie nicht mehr ohne mich leben können. Alle in einem riesigen Haus auf dem Land, mit vielen Obstbäumen. Und dahinter die riesigen Weiden mit hunderttausend, mit zweihunderttausend, mit fünfhunderttausend Rindern der besten Rassen. Und im Haus alle meine Frauen, jede mit Kindern, jedes Jahr ein neues. Ich könnte dreißig, vierzig, fünfzig Kinder haben dort. Eine riesige, glückliche Familie. Ohne Streit und Probleme. Wenn sie eifersüchtig werden, bin ich ja da. Mit der Peitsche in der Hand. Der Peitsche in der Rechten und Blumen in der Linken und in der Mitte mein steifes Ding voller Liebe und Sperma, um die Situation sanft und feucht unter Kontrolle zu halten. Liebe und Peitsche. Ich bin sicher, dass das mal so war, in einer früheren Inkarnation. Ich bin überzeugt, dass mir das so geschah und wir alle glücklich waren. Und es war in einem tropischen Land, maßlos und herrlich. Alles war grün und blau.
    Das reicht, Kleiner, komm wieder zu dir. Das ist längst vorbei. Jetzt bist du in Havanna im 21. Jahrhundert, unter der Diktatur des Proletariats, und kannst kein Kalb und keinen Quadratmeter Land kaufen. Und noch weniger eine Hacienda. Zehn Frauen mit dreißig Kindern! Sei nicht so bescheuert, Kleiner.
    Ach, verflucht, wie würde mir ein solches Leben gefallen. Eine Weile schweigen meine Gedanken. Dann denke ich an etwas, das mir hier geschah, vor vielen Jahren. Julia, Gloria, Ivón gab es damals nicht in meinem Leben. Es gab eine andere Frau, die alles in mir zerstörte. Sie gab sich alle Mühe, mich in tausend kleine Stücke zu zerlegen, die Schlampe. Immer ist das so gewesen: Irgendeine x-beliebige Frau zerlegt mich in tausend Stücke, oder ich zerlege irgendeine x-beliebige Frau in tausend kleine Stücke. Oder wir zerlegen uns beide gleichzeitig. Das Leben ist wie ein Bolero. Meine Tochter war gerade acht oder neun Jahre alt und verbrachte das Wochenende bei mir. Die Kleine sah, dass ich bedrückt und traurig war. Als die Sonne aufging, trank ich eine Tasse Kaffee und spürte sie neben mir. Da sagte sie:
    »Papi, du musst auf dich aufpassen. Das nächste Mal darfst du dich nicht so sehr verlieben.«
    Jetzt schaue ich in die leere Kaffeetasse und denke an diesen Rat. Sehr gut. Den werde ich nie vergessen. Das Problem ist nur, ihn umzusetzen.

 
     
     
     
Bis man sich verliert
     
     
    Es war neun oder zehn Uhr abends, als der Strom ausfiel und wir im Dunkeln saßen. Gleichzeitig färbte sich der Himmel rot und orange, voller Gas und Explosionen. Es schien, als wolle die Atmosphäre platzen und uns alle vernichten. Panik herrschte im Viertel. Zum Glück geschah es nicht direkt über unseren Köpfen, sondern ein bisschen weiter weg, Richtung Stadt. Julia hat da ein Häuschen, am Stadtrand von Santa Clara. Es ist, gelinde gesagt, ein sehr einfaches Haus. Sie lebte dort vierzehn Jahre mit ihrem Mann. Ihre erste und einzige Ehe. Mit Papieren, meine ich. Dann starb er bei einem Unfall. Sein Job war es, große Sendemasten fürs Radio zu montieren. Eines schönen Nachmittags stürzte er aus sechzig Meter Höhe ab. Julia zufolge war er betrunken, aber das wurde nie laut gesagt. Sie meinte einmal zu mir: »Es ist gemein, dass ich das sage, aber ich fühlte mich gut, als er tot war. Er war ein Arschloch, dauernd besoffen und durchgeknallt. Erst danach fing ich langsam an, Spaß am Leben zu haben. Was ich als junges Mädchen nicht gemacht hatte, machte

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