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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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zusammengebaut worden waren. Betten, die dazu geeignet waren, sich in ihnen zur Ruhe zu legen.
    Smudge, in ihrem Zimmer, hatte keinerlei Interesse an den Ereignissen jenseits der Tür zur Spülküche. Sie hatte nicht den Wunsch, die kleinen Betten auf der Galerie zu sehen; sie interessierte sich nicht für die umschatteten Seelen, die mit ihren Bündeln ziellos, orientierungslos, herumwanderten. Sie fand es nicht bemerkenswert, dass sich sogar ihre Mutter eine Schürze übergestreift hatte und sich an den verdoppelten Bemühungen der anderen beteiligte, Schlafplätze für alle zu schaffen; sie war alles andere als abgelenkt durch die Tatsache, dass sich, an ihr Haus angrenzend, eine riesige, nun beleuchtete Höhle befand, voller Körper, voller Bewegung, stinkend nach Verwesung. Sie interessierte sich einzig und allein dafür, dass nach einer kleinen Weile das Geräusch der durch das Haus polternden Füße und die gelegentlichen Rufe »Polster!« oder »Vorhänge!« nachließen und sie wieder Ruhe hatte.
    Das neue Haus gehörte ihr.
    Es gab die vertrauten Geräusche der Uhren, die nicht im selben Rhythmus tickten, ein gelegentliches melodisches Knarren, und von dem ganzen Durcheinander abgesehen, war alles im Haus wie gewohnt. Sie und Lady waren die beiden einzigen lebenden Seelen, und – dachte Smudge grimmig – eine davon war auf dem Weg nach draußen.
    Sie stand von ihrem zerwühlten Bett auf, krempelte entschlossen die Ärmel hoch, wappnete sich.
    »Lady!«, sagte sie.
    Das Pony hob den Kopf von der Brotkruste auf dem Boden, an der es geschnuppert hatte.
    »Genug ist genug«, sagte Smudge. »Wir gehen jetzt runter, egal was du denkst.«
    Entschlossen riss sie die Tür weit auf. Frische Pferdeäpfel dampften leise vor sich hin.
    In Sicht- oder Hörweite ihres Zimmers war niemand. Das hier war ihre Chance.
    Sie griff sich die Leine und führte das Pony vorbei an allen Schlafzimmern und den Sprossenfenstern zum Treppenabsatz.
    Draußen waren die vom Regen zerfledderten Magnolienblüten nicht zu sehen; drinnen flackerten und rauchten die Flammen der Öllampen.
    Sie würden denselben Weg nehmen, den sie gekommen waren: Sie führte das Pony an der Haupttreppe vorbei und ging in Richtung Hintertreppe. Am hinteren Ende des Korridors zog sie die Tür auf und stieg vorsichtig über die kalten Pferdeäpfel hinweg, die von den hastenden Füßen derer, die den Wäscheschrank geplündert hatten, zertreten worden waren.
    Sie setzte den Fuß auf die oberste Stufe.
    An diesem Punkt angelangt, warf das bislang fügsame Pony den Kopf hoch, stemmte die Vorderfüße in den Boden und blieb stehen.
    Smudge sah stumm zu Lady auf. Lady sah nach unten, die schlüpfrige Holztreppe hinunter.
    Auf der Stelle war klar, dass das Pony diese Treppe unter keinen Umständen hinuntergehen würde. Zudem erkannte Smudge, dass diese Weigerung eine sehr kluge Entscheidung war. Der Weg nach unten würde unweigerlich in der grässlichsten Katastrophe enden: im hilflosen Sturz von zartem, zweibeinigem Mädchen und stämmigem, vierbeinigem Pony in die Tiefe, wo sie mit zerschmetterten Knochen auf den Fliesen liegen bleiben würden.
    Smudge fing an zu zittern.
    »Zurück«, sagte sie, und Lady, die wusste, was gut für sie war, gehorchte.
    Vielleicht weil das Pony den Ernst der Lage erkannte, oder weil es seinen Stall und seinen Futtertrog vermisste, begann das Tier, das den ganzen Abend über einigermaßen fügsam gewesen war, nun unruhig zu werden. Ein Pony und ein Haustier, wenn alles ruhig war, war Lady unverkennbar ein Pferd, wenn sie erregt war. Sie stampfte mit den Hufen und warf den Kopf hoch, riss an der Leine in Smudges kleiner Hand und erschreckte das Kind und sich selbst, bis sie, schwerfällig nach hinten zurückweichend, gegen die Badezimmertür stieß und sich erschrocken aufbäumte. Als sie wieder nach unten kam, glitten ihre Hufe auf den Dielen aus, rutschten weg und zerknitterten den dünnen Teppich auf ganz grauenhafte Weise.
    Smudge versuchte, Lady zu beruhigen. Was noch vor wenigen Augenblicken willkommenes Alleinsein gewesen war, fühlte sich jetzt wie schreckliche Einsamkeit an. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Das Pony verdrehte die Augen beim entsetzlichen Anblick der Treppe vor sich, und auch Smudge war kurz davor, in Panik auszubrechen.
    Noch mehr erschrak sie – und stieß tatsächlich einen Schrei aus –, als sie bei einem Blick zurück zu ihrem Zimmer Ernest Sutton stocksteif am hinteren Ende des Korridors stehen

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