Der ungeladene Gast
sah. Er war gerade die Treppe von der Spülküche heraufgekommen. Auch Lady hielt in ihrem dramatischen Tun inne und sah ihn an. Mädchen und Pony standen dem jungen Mann mit dem kastanienbraunen Haar stumm gegenüber.
»Verzeih mein Aussehen«, sagte er, der tatsächlich nicht mehr sehr elegant aussah. »Ich habe Feuer gemacht und Betten gebaut und sehe, wie ich fürchte, verboten aus.«
Diese kühle Nichtbeachtung von Ladys Existenz war für Smudge ein Trost.
»Ich dachte, du bist auch unten«, fuhr Ernest fort.
»Nein, bin ich nicht«, sagte Smudge.
»Offensichtlich. Eigentlich wollte ich mir nur einen Schal holen.«
Smudges Herz hämmerte. Fast glaubte sie, dass Ernest das Pony tatsächlich nicht bemerkt hatte – vielleicht waren seine Augen nicht so viel besser geworden, wie alle dachten –, bis er mit sanfter Stimme hinzufügte: »Seid ihr auf dem Weg nach unten oder nach oben?«
»Nach unten«, sagte Smudge. »Aber Lady will nicht.«
»Nicht die Treppe hinunter?«, fragte er nachdenklich. »Ich muss sagen, ich kann es ihr nicht verdenken.«
»Ich auch nicht. Hufe eben.«
»Sehr unpraktisch, wenn es um Treppen geht.«
»Ja. Daran hatte ich nicht gedacht«, krächzte Smudge und hatte plötzlich einen Kloß im Hals.
»Soll ich vielleicht deine Schwester holen?«, fragte Ernest, worauf sie erschrocken rief: »O nein, bitte nicht! Sie würde sich nur furchtbar aufregen!«
Lady, von Smudges Panik aufgeschreckt, machte einen neuerlichen Satz und trampelte schwer auf den schmalen Bodendielen herum.
Ernest dachte einen Augenblick nach. Seine erste Reaktion beim Anblick des Kindes und des vermaledeiten Tiers war gewesen, die Arme hochzuwerfen und zu rufen: »Großer Gott! Ein Pony!« Er war froh, dass er diesem Impuls nicht nachgegeben hatte, denn er sah, dass sowohl Smudge als auch Lady der Hysterie nahe waren.
»Imogen«, sagte er mit einem Blick auf seine Uhr (eine verlässliche silberne Angelegenheit, die immer sie selbst war). »Es ist mitten in der Nacht. Später sogar, um genau zu sein. Und das hier scheint mir die Art von Problem zu sein, bei der wir dir helfen müssen – wir alle.«
Das bockige Kind schüttelte stumm den Kopf. Sie war völlig übermüdet und wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen. Ernest schlug elegant einen anderen Kurs aus.
»Patience liebt Ponys«, bemerkte er wie nebenbei.
»Wirklich?«, kam es hingerissen von Smudge.
»Ihr erstes war ein Graubrauner namens Toffee. Sie konnte ihn dazu bringen, praktisch alles zu tun.«
Wie ein zuversichtlicher Forellenfischer wartete er auf seine Belohnung.
»Dann solltest du sie vielleicht holen«, sagte sie schließlich.
»Zu deinen Diensten«, erwiderte er, zögerte kurz und fragte: »Nur interessehalber. Wieso hast du sie ins Haus gebracht?«
»Um sie zu porträtieren. In meinem Zimmer.«
»Verstehe.« Er nahm seine Brille ab und rieb sich die Augen.
Als er sie wieder aufsetzte, sagte er: »Mach dir keine Sorgen. Ich bin gleich wieder da, versprochen.«
Damit ging er die Treppe hinunter. Smudge sah sich verloren um.
EIN BAD IM STERNENLICHT
Im alten Haus wurden Laken, Decken und anderes Bettzeug übereinandergeschichtet und in gemütliche Nester und Liegestätten verwandelt. Die Passagiere warteten, die Hände dem Feuer entgegengestreckt. Gelegentlich hob sich eins der blassen Gesichter hoffnungsvoll zur schrägen Galerie. Als Ernest hereingeplatzt kam und schrie: »Großer Gott, oben im Haus ist ein Pony! Imogen hat es nicht im Griff!«, lief die ganze Familie entsetzt an das wacklige Geländer, während die Passagiere in ihrem Nebel des Wartens nur verstimmt »Schon wieder eine Verzögerung« murmelten.
»Um Himmels willen! Ich nehme an, sie wollte es porträtieren«, sagte Clovis.
»Anscheinend. Im Augenblick steht sie damit auf dem Treppenabsatz in der Nähe der Hintertreppe.«
Die Familienmitglieder vergaßen das Bettenbauen und stürzten ohne Entschuldigung die geschwärzte Treppe hinunter, in ihrer Hast immer wieder strauchelnd und stolpernd.
Erschöpfte Blicke folgten ihnen, bis sie verschwunden waren.
In der hell erleuchteten Halle blieben sie stehen.
»Vielleicht sollte ich fürs Erste allein hochgehen«, sagte Emerald, während sie atemlos am Fuß der Treppe verharrten. Von oben drangen ein Schnauben und das Stampfen eines Hufs an ihre Ohren.
Sie ging nach oben, während die anderen stehen blieben und Bemerkungen austauschten wie: »Was sollen wir bloß machen?« oder »Wie sollen wir es bloß nach
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