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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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wusste.
    »Nein, nicht darüber.« Auch John hatte sich gefasst und spürte, wie seine eigene Empörung zurückkam. Wieso sollte er derjenige sein, der verlegen war? Sie war schließlich diejenige, die sich in Grund und Boden schämen sollte. »Sie – Sie – Sie sollten nicht …«
    »Nicht in einem Haus arbeiten, in dem anständige Menschen leben?« (Sie konnte sich besser ausdrücken als er. Schließlich hatte sie auch mehr vom Leben gesehen.) »Mich nicht in meinem eigenen Zimmer waschen?«
    »Ich …«
    »Ja? Raus damit, Sie Stockfisch.«
    Stockfisch? Das war ja wohl das Letzte.
    »Ich werde nicht hier stehen und mich beleidigen lassen von einer – einer Person ohne jede Moral. Ich kam in aller Höflichkeit hierher, um zu fragen …« (Verflixt, er konnte sich nicht mehr erinnern, was er eigentlich fragen wollte.) »Um Sie etwas zu fragen, und Sie keifen mich an wie ein – wie ein …«
    Das alles war für ihn absolut ungewohnt. Er wusste, dass die Autorität ihm zustand – dem Mann, ihr haushoch überlegen –, aber er hatte noch nie einer wütenden, kaum bekleideten Frau gegenübergestanden (außer in seiner Jugend, in seiner eigenen Familie). Und während er noch versuchte, seine Gedanken zu sammeln, warf sie ihm an den Kopf: »Wie ein Fischweib? Wie eine Straßendirne?«
    Weit davon entfernt, sich von ihm zum Schweigen bringen zu lassen, kam sie – o Gott –, sie kam auf ihn zu.
    Ihre weißen, knochigen Schultern, ihr schmales Gesicht – das war nicht die Frau, an der er Tausende von Malen ohne einen zweiten Blick vorbeigegangen war; sie war nicht die Hauswirtschafterin, die Dienstmagd, das Wesen, das irgendwie nicht einmal mehr als Frau galt. Ihre Haut schimmerte noch feucht vom Wasser, mit dem sie sich gewaschen hatte, sie glühte geradezu vor Zorn, ihre langen dunklen Haare wirbelten wie die einer aufgebrachten Meerjungfrau, und John konnte nur denken, dass er sich in den Fängen eines Traums befinden musste, in dem sie, Mrs Trieves, mit all ihrer kantigen Strenge durch diese Furie ersetzt worden war, diese Mänade, diese nackte Personifizierung der Weiblichkeit.
    Sie war nur noch einen Schritt von ihm entfernt, das schwarze Kleid an die Brust gedrückt wie eine abgeworfene Haut, mit lodernden Augen, eine Hand an den Hals gelegt – an ihren weißen, schlanken Hals –
    »O Gott!«, sagte er laut.
    Sie blieb stehen. Er starrte sie mit wilden Augen an.
    »John Buchanan«, sagte sie mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war, und die zärtliche Sanftheit ihres Tons beruhigte und erschreckte ihn zugleich. »John, Sie wissen nichts über mich.«
    Er sah in ihre Augen (blau!), und sie fuhr fort. »Ehe ich – so war wie jetzt, wurde ich geliebt.«
    Was immer er an Schockierendem erwartet hatte, das war es nicht. Und es kam noch mehr.
    »Mein Mann hat mich geliebt«, sagte sie kläglich.
    Ihr Mann? John dachte darüber nach. Konnte es sein, dass ihre beschämende Vergangenheit sie nicht vollständig umschrieb? Dass es andere Dinge gab, die sie bekümmerten, zwingendere? Vor seinen Augen hatte sie sich verwandelt, von der geschmähten Bediensteten zur Hexe zu … Er war völlig verwirrt. Sie kam noch näher. Ihr Gesicht verschwamm vor seinen Augen, erschien ihm auf einmal – liebreizend.
    »Wir hätten gern einen Jungen gehabt«, sagte sie und küsste ihn.
    Von der Bediensteten zur Hexe zum … Mädchen . Und John erwiderte ihren Kuss. Ihr Gesicht roch nach der Seife, mit der sie sich gewaschen hatte. Es kam ihm vor, als wäre es schon über eine Stunde her, seit er sie dabei unterbrochen hatte.
    Abrupt hörte sie auf, ihn zu küssen, und sah ihn an.
    »Ach du meine Güte!«, rief sie erschrocken.
    Und das hätte das Ende sein können, aber so selbstverständlich, als hätte er es die ganze Zeit über beabsichtigt, kein bisschen überrascht über sich selbst, nahm John ihr das schwarze Seidenkleid aus der Hand und ließ es wie ein lebloses Etwas auf den Boden fallen.
    Ihr nacktes Fleisch, die zarte Weißheit ihres Körpers, geschmiegt an seine nach Holzrauch riechenden, mit Kohlenstaub verschmierten Kleider, und bevor ein weiteres Wort gesprochen werden konnte, bevor es Zustimmung gab oder Diskussion, mit einer Rauheit, die nichts mit Hass zu tun hatte, aber doch etwas Grobes an sich hatte, packte er ihre Arme, drehte sie herum und drückte sie gegen die Tür – die daraufhin zufiel.
    »Ja«, ächzte sie und zerrte an seinem Hemd.
    »Ich habe das noch nie getan«, stammelte er und küsste sie

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