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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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mit gedankenloser Leidenschaft, berührte alles an ihr, was er berühren konnte – ihre Haare, Taille, Hüften –, packte sie, erkundete sie mit Händen, die so gar nicht daran gewöhnt waren, jemanden zu erkunden, und so dankbar, es jetzt tun zu können. Ihre Haut fühlte sich wundervoll an. Er konnte sich nicht vorstellen, welchen Zweck seine Finger bisher gehabt hatten. Keinen, der ihre Existenz auch nur im Geringsten gerechtfertigt hätte.
    Die Tür war hart und klapperte laut, als sie dagegenstießen, aber in ihrem überstürzten Hasten hin zu hitziger, keuchender – o wundervoller – Vollendung dachte keiner von ihnen daran, sich davon fortzubewegen. Und ohne jeden Gedanken an Vernunft und Würde seinerseits oder irgendwelche Gefühle außer Verwunderung und glorioser Heimkehr ihrerseits trafen sie sich in tiefer Hingabe. Sie waren erfüllt von intensiver und unvergleichlicher Hitze, bis ins Mark hinein, wie Erde, die aufplatzt und von heißer Lava versengt wird. Es war der Himmel.
    Es hatte eine Speisekammer gegeben, gut gefüllt, aber nicht oft durchgesehen, und irgendwo auf den vielen, vollgestellten Borden gab es hoch oben ein staubiges Gefäß, fest verschlossen und nie in Augenschein genommen, versehen mit einem Etikett, auf dem stand: Florence Trieves, Hauswirtschafterin, alt . (Diese Beschriftung war kürzlich durchgestrichen und mit einem fetten SCHLECHT überschrieben worden.) Jetzt hatte sich diese Florence Trieves, aufgerüttelt durch die wie ein Blitz auf sie herabfahrende Verurteilung, wundersamerweise gegen die Glaswände geworfen und hatte ihr enges, schmieriges Gefäß vom Bord heruntergestoßen, sodass es auf dem Boden zersplitterte; sie war aus den Scherben herausgesprungen, vollblütig, lebendig, und verlangte danach, gegessen zu werden.
    Nun saßen die beiden – die weinen oder sich gegenseitig mit Vorwürfen überschütten oder sich jede Menge schädlicher, grausamer Dinge hätten antun können – in chaotischer Herrlichkeit auf dem Fußboden und lachten, bis sie ganz wirr im Kopf waren.
    Florence kam als Erste wieder einigermaßen zu sich, holte tief Luft und sagte: »Das wird dich lehren, so stolz zu sein, Mr John Buchanan.« Worauf er – im Gedanken an Emerald und an die verschwitzte, gesättigte Kreatur, die er selbst geworden war – nur demütig antworten konnte: »Gewiss.«
    Ein Augenblick verging.
    »Was wolltest du eigentlich hier?«
    »Ach so, ja. Die Passagiere brauchen Bettwäsche.«
    Florence seufzte und sah sich in ihrem kleinen Zimmer um.
    »Ich bin so hungrig«, sagte sie. »Ich kann mich nicht erinnern, je so hungrig gewesen zu sein.«
    »Dann kümmern wir uns als Erstes darum«, sagte John und half ihr auf die Beine. Er sah sich selbst, das Selbst von vor nur ein paar Minuten, eine verbitterte schwarze Krähe, eine Mischung aus seinem Vater und dem Pastor in der Kirche, und bemitleidete sich. Er dachte: War das alles, was mich zu dem gemacht hat? Das Fehlen einer Frau? Nur das? Er schien ein entzücktes neues Verständnis für alles Lebendige auf der Erde zu haben, schien wieder mit seinem kindlichen Selbst vereint zu sein, das im Gras herumgetollt war und ohne jede Angst an allem herumgeschnuppert hatte. Dass Wissen einem die Unschuld zurückgeben konnte, war eine wundervolle Gleichung.
    Sie richteten sich her (sie zog das frische Kleid an, das sie hatte anziehen wollen, als er sie überraschte, nicht das verschwitzte alte) und begaben sich in behaglicher Gemeinschaftlichkeit in die Vorratskammer. Dort fanden sie einen letzten Rest Brot, setzten sich auf den Boden und fielen ausgehungert darüber her. Für Florence war es wie Brot aus der Erinnerung: der leise Hauch von Salz, die knusprige Kruste, das weiche Innere.
    Schließlich schlossen sie sich den anderen an, die Bettzeug aus den Zimmern zerrten, und auch wenn ihre kürzliche Intimität unachtsamen Beobachtern nicht auffiel, so unterschieden John Buchanan und Florence Trieves sich doch so sehr von ihrem üblichen Selbst wie frische grüne Erbsen von ihrer haarigen Schote.
    Und alle unterwarfen sich der verlorenen Nacht und plünderten alles, was in dem bereits geplünderten Haus noch geordnet, knisternd, frisch war.
    Wie eine aufgescheuchte Rinderherde stampften sie durch das Haus, rissen Spitze, Damast, luftige Baumwolle in ihre Arme und deponierten die Sachen triumphierend auf der rußigen Galerie, wo kaputte Räder, alte Sprungfedern, ausrangierte Schafhürden und klamme Strohballen zu Betten

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