Der ungeladene Gast
als genügender Ansporn für mutiges Verhalten.
»Wenn wir sie schlagen, weigert sie sich wahrscheinlich erst recht, einen Schritt zu tun, oder?«, fragte Florence, die Pferde nicht leiden konnte und dieses hier nur allzu gern gezüchtigt hätte.
»Wir könnten ein Seil um ihr Hinterteil schlingen und sie ziehen«, schlug Emerald vor, und ein Seil wurde gebracht.
Der Regen hatte wieder eingesetzt. Clovis war nach seinen beiden Ausflügen in den Stall völlig durchnässt. Während Ernest und Emerald langsam das Seil um Ladys Hinterteil legten, reichte Patience ihm ihr Taschentuch, damit er sich das Gesicht trocknen konnte. Von allen jungen Frauen war Patience wahrscheinlich die einzige, bei der man sich darauf verlassen konnte, dass sie an einem Abend wie diesem ein sauberes Taschentuch zur Hand hatte.
Bedauerlicherweise nahm Lady Anstoß an dem Seil und riss in dem resultierenden Wutanfall ein Bild von der Wand. Das Glas zerschmetterte und zersplitterte, was Smudge veranlasste, einen alarmierten Schrei auszustoßen.
Der Kater Lloyd und die beiden Spaniels hatten sich vom faszinierenden Feuer im alten Haus losgerissen und waren gekommen, um dem Treiben zuzusehen. Von ihren Beobachtungsposten in sicherer Entfernung verfolgten sie das Geschehen mit selbstgefälliger Miene. Für sie waren Treppen ein Kinderspiel. Selbst das neue Kätzchen mit seinen winzigen Beinchen, das zusammengerollt in Patiences Armbeuge lag und friedlich schlief, hätte den Abstieg geschafft, hätte man ihm ein wenig Zeit gelassen.
Alle befanden sich jetzt in einem Zustand, der weit über Erschöpfung hinausging, ihre Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt, weil sie so lange ruhig und beschwichtigend auf das vermaledeite Pony einreden mussten, ohne sich ihren Ärger anmerken lassen zu dürfen. Die Aufgaben als Gastgeber für die Passagiere zerrten unaufhörlich an ihnen, ähnlich wie Hunger, wie mentale Zahnschmerzen, und sie waren hin- und hergerissen zwischen zwei Welten, weder mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit im neuen Haus mit seiner irdischen Katastrophe noch körperlich im alten mit seinen anders gearteten Zwängen.
»Könnte sie nicht einfach ein Hauspony werden?«, fragte Smudge mit schläfriger Stimme. Sie hatte sich mit ihrem geschwollenen Fuß in eine Ecke des halben Treppenabsatzes gesetzt und hoffte, ihr Anblick würde das Pony ermutigen, doch nach unten zu gehen.
»Sei nicht absurd«, fauchte Emerald, selbst den Tränen nahe. Dann hatte sie eine Idee. »Wir bringen sie über die Treppe im alten Haus nach unten. Die geht sie bestimmt runter, weil sie nicht so steil ist – und die Stufen sind breiter.«
»Da wäre nur eine winzige Kleinigkeit«, warf Clovis ein. »Die Mauer zwischen den beiden Häusern.«
»Wir reißen sie ein«, sagte Emerald mit erzwungener Ruhe.
»Die Wand in meinem Schlafzimmer?«, wollte Smudge eifrig wissen.
»Einreißen?« Charlotte war schockiert.
»Mutter, es ist doch nur eine Wand. Die Männer schaffen das bestimmt. Nicht wahr?«
»Wenn du es willst«, sagte Ernest hingerissen.
»Ihr seid genauso verrückt wie die gute Smudge«, kam es fröhlich von Clovis. »Dann mal los.«
»Wir können die Stufen mit Erde und Steinen abdecken. Dann sehen sie genauso aus wie der Boden draußen – und das können wir in diesem Haus unmöglich machen. Sie wird wie ein Lämmchen runtergehen.« Emerald, von ihrem eigenen Vorschlag mitgerissen, brannte darauf, ihn in die Tat umzusetzen. »Und wenn sie ins Rutschen kommt, kommt sie eben ins Rutschen. Wir können ihre Beine bandagieren.«
Pony und Kind wurden in Clovis’ Schlafzimmer geschickt, wo Smudge auf dem Bett einschlief und Lady dümmlich aus dem Fenster sah.
»Also los«, rief Florence Trieves. »Wir brauchen Schubkarren!« Und alle sieben rannten durch die Vordertür in die wilde, stürmische Nacht hinaus.
Kaum ein Licht war zu sehen. Binnen eines Augenblicks wurden sie von der Dunkelheit verschluckt.
Clovis rannte zurück, um Lampen zu holen. Ernest und Emerald liefen zu den Außengebäuden und suchten Schaufeln, Hacken und Picken zusammen – alles, was sie benutzen konnten, um das Draußen nach drinnen zu schaffen und das vermaledeite Pony zu retten.
Charlotte stieß die schwere Haupttür des alten Hauses auf, die modrig war vor Nichtgebrauch. Die Reisenden drehten sich aufgebracht vom Feuer um und machten große Augen, als Clovis die Tür festkeilte und die kalte Luft hereinströmte. Eine Lampe in der hoch erhobenen Hand, schrie er: »Bringt
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