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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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Emerald zuckte innerlich zusammen, als sie ihn hörte, da sie fürchtete, er sei in der beleidigenden Stimmung, die er sich üblicherweise für ihren Stiefvater aufsparte. Aber Clovis zügelte sich. »Ich spiele ein bisschen Schach«, verkündete er und ging in seinen matschigen Stiefeln zum Fenster, vor dem das Brett auf einem Rosenholztisch bereitstand. Er setzte sich und fing an, die Figuren aufzustellen.
    »Ich hoffe nur, er streitet nicht wegen jedem Zug mit sich selbst!«, sagte Emerald und fügte verlegen hinzu: »Wollen wir uns nicht setzen?«
    Sie setzten sich – dieses Mal vermied John die defekte Polsterbank und nahm neben Emerald auf dem Sofa Platz. Clovis beugte sich stirnrunzelnd über die Schachfiguren.
    »Hat Mutter Ihnen …« Emerald warf einen Blick auf die Uhr aus Goldbronze, die auf dem Kaminsims stand und noch nie funktioniert hatte, »… irgendetwas angeboten?«
    »Nein.«
    Emerald wollte ihm gerade einen Tee anbieten, als John in seine Jacke griff und ein kleines, marineblaues Kästchen hervorzog, das mit einem schmalen weißen Satinband umwunden war.
    »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Miss Torrington.«
    Hinter ihm sah Clovis mit wilden, erstaunten Augen von seinen Schachfiguren auf, was Emerald veranlasste, den Blick hastig auf ihre Hände zu senken.
    »Oh«, sagte sie. »Ich bin nicht sicher, ob ich …«
    »Bitte, nehmen Sie es«, sagte er.
    Emerald nahm das Kästchen und platzierte es auf ihrer Handfläche. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie ein Paar geschmacklose Ohrringe darin finden würde, und schämte sich zutiefst für diese herablassende Einstellung.
    »Mr Buchanan«, begann sie und sah ihn wieder an. Er war ein extrem geometrischer Mann: absolut symmetrisch, ohne komplizierte Ecken oder Konturen, die den Betrachter verwirrten. Er hatte einen geraden Mund, eine kräftige Stirn, dunkle, ordentlich und gerade geschnittene und gekämmte Haare, breite Schultern … Er war in jeder Hinsicht ebenförmig, und von eher mächtiger Statur – das heißt, er war groß, und man konnte sich vorstellen, dass er ein beeindruckendes Bild abgeben würde, wenn er aus einer Badehütte käme, sollte er je etwas so Frivoles tun, wie in eine hineinzugehen, und obwohl die Torringtons ihn immer als Farmer John Buchanan bezeichneten, war John Buchanan ein Fabrikbesitzer, der unbeirrt dem Erfolg zustrebte. Sein Vater war der Farmer, und John, der bereits ein kleines Vermögen gemacht hatte, hatte die Pacht aus Dankbarkeit oder Sentimentalität für ihn gekauft, obwohl es mit der Landwirtschaft rapide abwärtsging.
    Sein Vermögen, seine Großzügigkeit, seine Zuneigung zu Emerald – demonstriert durch diesen unerwarteten Besuch an ihrem Geburtstag wie auch durch die Unbeholfenheit seiner Unterhaltung – waren der Grund dafür, dass Charlotte ihre Tochter mit ihm allein gelassen hatte, um sich auf die Suche nach imaginären Hühnern zu begeben.
    Emerald blickte in die kantigen, wohltuend anzusehenden Ebenen seines Gesichts.
    »Haben Sie vielen Dank, Mr Buchanan«, sagte sie, »für dieses unerwartete und großzügige Geschenk …«
    »Sie haben das Kästchen noch nicht aufgemacht, Miss Torrington«, unterbrach Buchanan sie ungezwungen. »Es könnte sich als ein sehr ärmliches Geschenk herausstellen.«
    »Dennoch habe ich das Gefühl, gleich zu Beginn etwas klarstellen zu müssen. Wenn meine Annahme dieses Geschenks Sie zu der Vorstellung verleiten sollte, der Vorstellung, dass ich – dass ich – nun ja, dass ich …«
    Sie hatte so entschlossen begonnen, nun jedoch merkte sie, dass das Ende ihrer kleinen Ansprache sich ihr entzog. Aber zu ihrer Überraschung reagierte John mit einem fröhlichen, unbeschwerten Lachen.
    »Miss Torrington«, sagte er mit herzlicher und angemessen wohlwollender Stimme. »Wir haben als Kinder miteinander gespielt. Bevor Sie heranwuchsen und zu Miss Torrington wurden, waren Sie für mich Emerald, Emmy, die kleine Em … Und wenn ich Ihnen jetzt eine Kleinigkeit als Geschenk überreichen möchte, sollten Sie daraus keine Schlussfolgerungen ziehen, die mich in ein romantischeres Licht tauchen, als ich es verdiene.«
    Emerald wäre am liebsten im Erdboden versunken. Ihr Gesicht, das nicht an Erröten gewöhnt war, fühlte sich glühend heiß an. Oh, ihr Stolz, ihre Arroganz.
    »John«, brachte sie mit Mühe hervor.
    Im Gegensatz zu ihr sah John Buchanan ganz und gar heiter und gelassen aus. »Ach, kommen Sie, Emerald, fangen wir doch nicht mit so etwas an. Meine

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