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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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Erfahrungen mit dem schöneren Geschlecht, die zugegeben durch die Schicklichkeit eher begrenzt waren, haben mir gezeigt, dass alle Damen zu der Vorstellung neigen, dass alle Herren eine extrem hohe Meinung von ihnen haben.« Emerald war sprachlos. »Obwohl ich Sie natürlich über die Maßen mag. Ich meine, ich halte sehr große Stücke auf Sie …« Er betonte das Wort, was galant von ihm war.
    Hinter ihm vergrub Clovis das Gesicht in den Händen, und Emerald wünschte, sie säße auf der kaputten Polsterbank, könne sich hineinfallen lassen und unter dem Möbelstück verstecken, bis diese Demütigung vorbei war. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als das Kästchen zu öffnen.
    Es enthielt eine zarte, wunderschön gearbeitete Kamee an einem hauchfeinen Goldkettchen.
    »Sie ist wunderschön«, sagte sie leise.
    »Vielleicht könnte Ihr Bruder sie Ihnen umlegen?«, sagte John. »Denn ich möchte auf keinen Fall einen falschen Eindruck erwecken. Gute alte Em!« Und er lachte erneut, schlug sich auf den breiten Oberschenkel und erhob sich.
    Auch Clovis erhob sich und wippte, die Hände in den Taschen vergraben, auf den Fußballen auf und ab, während Emerald hervorsprudelte: »Hätten Sie vielleicht Lust, heute Abend zum Dinner zu uns zu kommen? Ich veranstalte eine kleine Gesellschaft. Eine sehr kleine Gesellschaft. Meine Freundin Patience Sutton und ihre Mutter …«
    »Sie brauchen mich nicht mit der Gästeliste zu locken«, sagte John und umschloss ihre Hand herzlich mit seinen beiden Händen. »Wenn es zwischen uns irgendwelche Misshelligkeiten gegeben hätte, würde diese Einladung sie komplett aus der Welt schaffen. Ich nehme sie gerne an. Sehr gerne sogar. Und freue mich auf heute Abend. Und verabschiede mich hiermit. Nochmals vielen Dank.«
    Er lächelte Clovis vertraulich an, hob die Hand grüßend an seinen nicht vorhandenen Hut und war verschwunden.
    »Clovis, begleite ihn hinaus«, zischte Emerald giftig, und Clovis flitzte aus dem Zimmer.
    »Nicht so schnell, alter Knabe. Ich begleite Sie zu Ihrem Wagen«, hörte sie ihn rufen und sank erneut auf das Sofa.
    »Ich bin wirklich die dümmste Gans, die es je gab«, stöhnte sie, warf sich gegen die unnachgiebige vergoldete Lehne und schlug sich mit dem Handrücken gegen die Stirn. Die andere Hand tastete zitternd nach John Buchanans Geschenk und spielte gedankenverloren damit herum.
    Sie hörte das tiefe gutturale Dröhnen des anspringenden Rolls-Royce-Motors. Ein paar Augenblicke später kam Clovis zurück.
    »Ich kann ihn trotzdem nicht leiden«, sagte er. »Gute alte Em!« Und er brach in hysterisches Lachen aus.
    Der von dunklen Regenwolken verhangene Himmel des Vormittags war von hohen, stürmischen Böen aufgerissen worden und lächelte nun enteneierblau und sonnig auf die Torringtons herab, die missmutig beim Lunch saßen.
    Der Platz von Smudge war leer. Sie nahm ihre Mahlzeiten oft erst dann ein, wenn es ihr in den Kram passte, aber als Florence Trieves die Pastete auf den Tisch stellte, sagte Emerald: »Sollen wir vielleicht nachsehen, ob Smudge sich besser fühlt?« Und beschloss, direkt nach dem Lunch genau das zu tun.
    Die von gestern übrig gebliebene Kaninchenpastete mit Schinken hätte in einer frischen Schüssel appetitlicher ausgesehen als in der verkrusteten, schmuddeligen vom Vorabend, aber Florence hatte es offenbar nicht für nötig befunden, sie auszuwechseln, und alle spürten, dass es besser war, nichts dazu zu sagen. Erfreulicher anzusehen war ein großer Topf mit weißen, neuen, reichlich mit Petersilie bestreuten Kartoffeln, also würden sie nicht hungrig bleiben müssen. Allerdings konnte sich Charlotte ein »Eine Servierschüssel wäre für die Kartoffeln netter gewesen, Mrs Trieves« nicht verkneifen.
    »Mag sein«, antwortete Florence und ging, um den Senf zu holen. Sie selbst würde ihre Pastete in der Küche essen, im Stehen. Seit sie Witwe war, misstraute sie allen Freuden der Sinne und hielt sich nicht gern damit auf, da sie fürchtete, allzu sehr in Versuchung geführt zu werden.
    Nachdem sich Emerald beim Frühstück zu elend gefühlt hatte, um viel zu sich nehmen zu können, war sie nun, nach ihrem Ausritt, geradezu ausgehungert und aß mit großem Appetit, bis ihre Mutter aufseufzte und sagte: »Und was ist nun mit John Buchanan?«
    »Was meinst du damit – ›was ist nun mit John Buchanan‹?«, antwortete Emerald ausweichend.
    »Weich mir nicht aus«, sagte Charlotte, die so etwas natürlich sofort merkte.
    »Ich

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