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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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Medizin. Was auch sonst.«
    »Verstehe, ein Wissenschaftler.« Dies in einem Tonfall düsterer Verdammnis.
    »Und er hat rote Haare.«
    »Himmel, ja! Und schielt.«
    »Genau das ist er – er trägt eine Brille.«
    »Dafür kann er schließlich nichts.«
    »Mag sein, Florence. Aber obwohl es vielleicht viele Menschen gibt, die eine Brille brauchen, ist es nur ein ganz bestimmter Typ, der auch tatsächlich eine trägt. Mir ist ein leidenschaftlicher, hilflos blinzelnder Mann allemal lieber als einer, der seine Sicht durch eine kleine Drahtbrille korrigiert und sich unter Kontrolle hat.«
    »Sein korrigierter Blick wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach eher auf Emerald richten als auf Sie«, sagte Florence mit einem spöttischen Lächeln.
    »Oder Sie!«, gab Charlotte zurück, ließ das dornige Thema fallen und fragte: »Gibt es eigentlich eine Geburtstagstorte?«
    »Gibt es. Schokolade. Mit grünen Rosen.«
    »Mit grünen Rosen?«
    »Wegen Emerald. Emerald bedeutet schließlich Smaragd.«
    »Aber Rosen sind nicht grün, meine Liebe.«
    »Emeralds Zuckerrosen sind es. Gestern Abend eingefärbt und perfekt geformt.«
    »Von Myrtle?«
    »Von mir. Bei Kerzenlicht.«
    »Sicher sehen sie überaus merkwürdig aus, und Ernest und Patience Sutton werden mit dem Eindruck nach Berkshire zurückkehren, dass wir nicht gesellschaftsfähig sind.«
    »Sind wir doch auch nicht«, erwiderte Florence.
    Unvermittelt brach Charlotte in ein fröhliches Lachen aus und wirkte in diesem Augenblick wie eine ausgelassene Titania.
    »Mein Gott«, schmetterte sie mit plötzlich durchdringender Stimme. »Genau das sind wir, Florence! Nicht gesellschaftsfähig.« Und Florence, die sich vorbeugen musste, weil ihr Korsett nichts anderes zuließ, lachte mit ihr, ächzend wie eine Konzertina, die eine Weile nicht benutzt wurde und sich erst warmspielen muss.
    »Gesellschaftsunfähig, wie ich bin, werde ich Sie Ihren Kochkünsten überlassen«, sagte Charlotte, verließ den Raum und warf über die Schulter zurück: »Was gibt es zum Mittagessen?«
    Florence wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Es wird heute früher stattfinden müssen, wegen des ganzen Affenspektakels mit der Vorbereitung, und es gibt nur die aufgewärmte Pastete von gestern Abend.«
    »Wunderbar«, trällerte Charlotte und schwebte davon.
    Smudge beugte sich aus ihrem Fenster. Die Luft war unwirtlich, das Wetter umgeschlagen, und der Himmel sah in allen Richtungen drohend und düster aus.
    »Wo sind Clovis und Emerald?«, hauchte sie. Smudge war zwar gerne allein, aber hin und wieder kam ihr das Gewebe ihrer Umgebung unberechenbar vor, und sie sehnte sich anstelle der Geister ihrer Vorstellung nach Gesellschaft aus Fleisch und Blut. Wie zur Antwort wurden die Bäume von einem unbehaglichen Schütteln durchlaufen, und ein Windstoß trug die fast unhörbaren Hufschläge der zurückkehrenden Pferde an ihr Ohr.
    Die Pferde tauchten aus dem Tunnel der Eiben auf, als träten sie aus dem Dunkel der Kulissen auf eine nur schwach beleuchtete Bühne. Clovis hob die Hand und riss einen schwärzlichen Zweig von dem zerzausten Baum, der über ihm aufragte.
    »Ah! Wieder zu Hause«, seufzte er, gefolgt von einem »Oh!«, denn ein riesiges, glänzendes Auto, blitzend vor Chrom und schimmerndem blauem Lack, parkte majestätisch, glamourös, beunruhigend und betörend mitten auf der Auffahrt.
    »Himmel!«, rief Emerald, als beide Pferde ängstlich scheuten. Levi machte einen Satz nach hinten und prallte gegen Ferryman, der Anstoß daran nahm, sich aufbäumte und den Kies aufspritzen ließ.
    »Dummchen«, sagte Emerald zu Levi und beruhigte ihn mit einer kaum merklichen Bewegung, einem winzigen Anziehen der Zügel. »Es ist nur ein Auto, und davon hast du doch schon eine Menge gesehen.«
    Levi verdrehte dramatisch die Augen und sah abfällig auf den Rolls-Royce herab, der zurückzustarren schien. Die schlanke silberne Dame ragte zwischen seinen gläsernen Augen hervor wie ein kleines, bösartiges Geweih.
    »Es ist keineswegs nur ein Auto, Em«, sagte Clovis, der Ferryman ebenfalls beruhigt hatte. »Hat nicht Farmer John Buchanan genauso ein beeindruckendes Fahrzeug?«
    »Clovis«, mahnte Emerald.
    Nachdem die Pferde ihren Spaß gehabt hatten, ließen sie sich hinters Haus bringen, während zwischen Bruder und Schwester eine stumme Kommunikation stattzufinden schien.
    »Hör auf!«, brach es schließlich aus Emerald hervor. Clovis’ stumme Form der Kommunikation – vielsagende Blicke und

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