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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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Eisenbahngesellschaft warten.«
    »War es George?«, erkundigte sich Charlotte mit gepresster Stimme.
    »Nein, Mutter, es war nicht George. Ich kenne George . Es war ein anderer Mann, ein älterer Mann. Er sagte, es wäre das Beste …«
    »Meinst du, älter als der Bursche, der uns am Bahnhof geholfen hat?«, fragte Patience und zupfte die Perlmuttknöpfe an ihrer Manschette einen nach dem anderen zurecht. »Das finde ich nämlich nicht. Falls das George war, würde ich eher sagen, dass dieser Mann bedeutend jünger war.«
    Emerald wurde von dem Drama, das sich hinter den beiden abspielte, durch deren Wortwechsel abgelenkt. Ernest und die beiden Pferdeknechte hatten ihre liebe Mühe mit Pferd und Fahrzeug. Ernests Gesicht konnte sie nicht sehen, beobachtete aber, wie er eine Hand fest auf Ferrymans Hals legte, während die andere das Zaumzeug gepackt hielt, denn Ferryman, der als Reitpferd nicht daran gewöhnt war, angespannt zu werden, wehrte sich mit aller Macht dagegen und scharrte derart mit den Hufen, dass der Kies aufspritzte.
    »Ich sage dir, er hatte graue Haare! Aber findest du wirklich, dass es so wichtig ist, wie alt der Bursche war?«, sagte Clovis zu Patience.
    »Clovis«, mischte Emerald sich ein, ohne die Augen von der Szene hinter ihm zu lösen. »Hör auf zu streiten und kümmere dich lieber um das Pferd.«
    Er gehorchte ihr dankbar. Im gleichen Augenblick betrat Florence Trieves die Halle, blieb hinter Smudge stehen und legte die Hände auf die knochigen Schultern des Kindes.
    »Was ist passiert?«
    »Es hat ein Zugunglück gegeben«, sagte Charlotte.
    »Auf irgendeiner Nebenlinie«, fügte Emerald hinzu.
    »Und wir sollen uns um die Passagiere kümmern«, sprach Charlotte aufgewühlt weiter. »Niemand scheint sich einigen zu können, was genau passiert ist. Aber anscheinend soll Sterne eine Zwischenstation für die Überlebenden sein, bis die Eisenbahngesellschaft zu einer Regelung gefunden hat.«
    »Das hat uns gerade noch gefehlt«, stöhnte Florence Trieves. Ihre Hand zuckte hoch und befingerte angespannt die Uhr an ihrer Brust. Dann stieß sie ein »Mein Gott« aus, da sie erst jetzt die Männer bemerkte, die sich mit Ferryman abmühten, der immer größeren Anstoß daran nahm, zum Rückwärtsgehen gezwungen zu werden, und ein für ein so großes Pferd sehr hohes und schrilles Wiehern von sich gab.
    Die Frauen – auch Smudge, die sich aufgeregt und entsetzt zugleich an Florences Rock klammerte – traten auf die Veranda hinaus, um besser sehen zu können.
    »Ho!«, rief Robert, als das Pferd unvermittelt einen Satz nach vorn machte.
    Clovis bekam einen Stoß von Ferrymans mächtigem Kopf ab, wurde nach hinten geschleudert und trat dabei auf Ernests Jacke, die auf dem Boden lag. Er bückte sich, hob sie auf, schüttelte sie aus und warf sie als eine Art Scheuklappe über den Kopf des Pferdes.
    »Das ist Ernests Jacke«, quietschte Patience, aber das Pferd, das jetzt nichts mehr sehen konnte und orientierungslos war, stand einen Moment später endlich in der Deichsel.
    Ernest und Robert machten sich daran, die Riemen festzuzurren. Dabei fiel Emerald auf, dass Ernest, von dem sie immer noch nur den Rücken sehen konnte, sehr kräftige und gerade Schultern hatte und einen halben Kopf größer war als Robert.
    »Hör zu, Emerald«, sagte Clovis. »Stanley und ich nehmen das Fuhrwerk und Robert den Brougham. Ihr anderen bleibt hier.«
    »Wieso kann ich nicht auch mitkommen?«, wollte Emerald indigniert wissen.
    »Falls es Ihnen nichts ausmacht, Miss Em«, wandte Robert sich an sie, »wäre es besser, wenn keiner von Ihnen mitfährt. Wenn Sie hierbleiben, haben wir mehr Platz für die Passagiere. Und jetzt sollten wir uns wirklich auf den Weg machen, wie der Dienstmann gesagt hat.«
    Emerald gab ein Geräusch von sich, das einem »Hmpf« sehr nahekam, aber Charlotte, die Herrin des Hauses, entschied die Angelegenheit.
    »Völlig richtig, Robert. Sie und Stanley kommen sicher allein zurecht. Emerald und Clovis, ihr bleibt beide hier. Und jetzt fahren Sie schon!«
    Clovis stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus und kehrte allen den Rücken zu.
    »Dann los«, sagte Robert mit entschlossener Stimme, tippte an seine Mütze, sprang auf das Fuhrwerk, dirigierte Ferryman in einem säuberlichen Halbkreis in Richtung der Eiben und ließ die Zügel auf den widerspenstigen Rücken des Pferds klatschen.
    Bald waren das Fuhrwerk und die Kutsche in Erfüllung ihrer Mission in einem nie da gewesenen schnellen Trab

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