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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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manchmal unvermittelt erfasst, wenn man aus dem Meer steigt, und einem den Atem verschlägt.
    Innehaltend betrachtete sie die Gesichter ihrer Freunde und ihrer Familie, die aber anscheinend nichts bemerkt hatten, sondern herumstanden und darauf warteten, dass sie ihnen die Stärkung oder Erfrischung anbot, die zu erwarten sie jedes Recht hatten. Aber der Windstoß hatte bewirkt, dass die Luft überall um sie herum laut flüsterte und wisperte, und sie konnte nicht anders, sie musste dem nachgehen.
    »Was ist?«, fragte Clovis, als Emerald den Kopf drehte und über die Schulter nach hinten sah.
    Sie ging zur Tür, öffnete sie und blickte hinaus in die stürmische Luft. Zitternd, den Blick nach rechts gewandt, die Auffahrt hinunter, gab sie sich alle Mühe, das Bild, das sich ihren Augen bot, zu erkennen.
    Plötzlich stand Clovis neben ihr. Er folgte ihrem Blick und stieß einen leisen Pfiff aus. »Meiner Treu«, sagte er. »Sie sind da.«
    Alle kamen an die Tür geeilt. Smudge linste hinter Florences Rock hervor.
    Es stimmte. Eine kleine Gruppe von Menschen trat langsam und dicht gedrängt aus dem Dunkel der Auffahrt auf die Kiesfläche. Es war schwierig auszumachen, wie viele es waren.
    »Sie müssen Robert verfehlt haben … wie seltsam!«, rief Emerald. »Schnell, Mutter.«
    Florence Trieves und Smudge blieben in der Tür stehen, während sich Emerald, Charlotte, Clovis, Patience und Ernest in Bewegung setzten, um die Überlebenden zu begrüßen.
    Es war eine seltsame Begegnung: Die in frische Farben – festliches Pfauenblau, schimmerndes Grün, leuchtendes Kupfer – gekleideten Mitglieder des Haushalts trafen auf die gedämpften Töne der Reisebekleidung der unter Schock stehenden, apathischen Passagiere.
    »Ist der Dienstmann bei ihnen?«, fragte Patience, den Hals reckend, da die anderen ihr die Sicht versperrten.
    »Nein«, sagte Clovis, als sich Emerald, allen voran, dem ersten der Passagiere näherte.
    »Haben Sie das Fuhrwerk und die Kutsche nicht gesehen?«, fragte sie sie. »Hat die Eisenbahn Sie allein losgeschickt? Sind Sie verletzt?«
    Keiner von ihnen antwortete.
    »Sie kommen doch von der Unfallstelle?«, fragte Clovis. »Man hat uns gesagt, wir sollen Sie erwarten.«
    Sie hoben gleichzeitig die Köpfe, so wie eine Herde Kühe auf der Weide die Köpfe dreht, um einen im Vorbeigehen zu beobachten. Der Schock hatte sie in eine einheitliche Masse verwandelt, als hätte das Erlebnis, das hinter ihnen lag, sie in einer seltsamen, blutlosen Betäubung verschmolzen.
    »Willkommen auf Sterne«, versuchte Emerald es noch einmal mit munterer Stimme. »Ich bin Emerald Torrington. Sie müssen Furchtbares durchgemacht haben.«
    Clovis, der neben ihr stand, sah auf sie hinab. Sie begegnete kurz seinem Blick und wandte sich, bestärkt durch seine Nähe, erneut den Passagieren zu, die sich unruhig bewegten und sie benommen und wie geblendet anstarrten.
    Jetzt, da sie direkt vor ihnen stand, sah sie, dass die Passagiere, anders als sie zuerst gedacht hatte, keineswegs alle ähnlich gekleidet waren, sondern nur durch ihre Mäntel, Schals, Hüte und die anderen monochromen Bestandteile ihrer Reisebekleidung zur Uniformität verschmolzen wurden. Bei genauerem Hinsehen nahm sie hier ein Stückchen Rot wahr, das zu einem Kleid gehörte, dort das Efeugrün einer Männerweste, und auch andere Farben hoben sich allmählich hervor.
    Dann ergriff eine von ihnen leise das Wort. Es war eine blasse junge Frau mit aschblondem Haar, das, straff nach hinten gekämmt, ein unscheinbares Gesicht umrahmte, dessen Haut ebenso fahl wirkte wie die Haare. Ein dicker, löchriger schwarzer Wollschal war fest um ihren Hals geschlungen, wie um ihren Kopf auf den Schultern festzuhalten.
    »Man hat uns fürs Erste hierhergeschickt«, sagte sie. »Wir sind Ihnen so dankbar, dass Sie uns aufnehmen – Sie nehmen uns doch auf?«
    Ihre Augen sahen Emerald bittend an, sodass Emerald ganz plötzlich verlegen wurde – einfach weil sie Emerald war, die in all ihrer Vitalität vor diesem bedauernswerten Wesen stand.
    »Natürlich«, sagte sie und fügte lahm hinzu: »Sie Ärmste. Bitte, folgen Sie uns.« Und sie drehte sich entschlossen um, ergriff Clovis’ warme Hand und führte die kleine Prozession zurück zum Haus.
    Die geschwächten Passagiere trotteten hinter ihnen her, und die ganze Gruppe bewegte sich langsam auf Florence und Smudge zu, die in der Haustür standen.
    Und so wurden die Überlebenden unter vielen Bekundungen des Willkommens und

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