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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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missgestaltete Prozession dar. Es gab undurchdringliche Dickichte. Es gab harzige, ineinander verwachsene, hoch aufragende Gestrüppe, in deren Tiefen sich Höhlen verbargen, die an Hexenhäuschen gemahnten und in denen man spielen oder sich verstecken konnte. Es gab Lücken zwischen ihnen, die es nicht hätte geben dürfen.
    Emerald, die bei Tag eine entschlossene, praktische junge Frau war, träumte oft, dass sie absolut unbekümmert und sorglos über die dunkle Allee galoppierte, die zum Haus führte, das Donnern der Pferdehufe in den Ohren. Manchmal flog sie im Traum auch hoch über Sterne hinweg wie ein Vogel, unter sich die Dächer, die Kamine, die Ställe, die Gärten und die weite Landschaft. Dann stürzte sie erwachend zur Erde zurück, lag ganz allein in ihrem Bett und weinte um ihre verlorene Grenzenlosigkeit.
    Jetzt wandte sie sich erdgebunden und niedergeschlagen von den düsteren Eiben ab, um deren trostlose Tiefen nicht länger betrachten zu müssen, begab sich in den Teil des Gartens, der den Blumen vorbehalten war, kniete vor der frisch aufgebrochenen Erde einer Rabatte nieder und brach in Tränen aus. Es gab in diesem Augenblick keine gescheiten Worte mehr, auf die sie zurückgreifen konnte, nur noch kindliche. Hoffentlich findet Edward eine Möglichkeit, uns zu retten, dachte sie und war sich dabei voller Bitterkeit bewusst, dass der verhasste Stiefvater plötzlich zu ihrem sehnlichst herbeigewünschten Retter geworden war.
    Die Tränen erfüllten keinesfalls ihre Aufgabe, ihr wieder zu einem klaren Kopf zu verhelfen, sondern drohten vielmehr, sie ganz und gar zu überwältigen. Jeden Augenblick würde sie sich der Länge nach auf das Blumenbeet werfen. Dabei war heute ihr Geburtstag, sie musste glücklich sein, und zwar bald. Sie schniefte, wischte mit dem Ärmel entschlossen über ihr Gesicht und blickte einen Augenblick wie versteinert vor sich hin. »Gut!«, sagte sie dann.
    Nachdem sie noch einen Moment wie blind auf das vernachlässigte Beet geblickt hatte, begann sie, Unkraut zu jäten, ließ die Fingerspitzen an den noch schwächlichen Stängeln nach unten wandern, um sie aus der Erde zu zupfen. Bald schon waren ihre Hände kalt und schmutzig, aber im Gras neben ihr lag ein welkendes Häufchen Unkraut, und sie sinnierte, dass eine nützliche Betätigung ein großer Trost sein kann.
    Die private Verabschiedung von Charlotte und Edward fand in ihrem Schlafzimmer statt, das genau in der Mitte des Hauses über der Eingangstür lag. Es hatte ein tief herabgezogenes Erkerfenster, umrankt von einer sehr alten, verschwenderischen Rose, deren bonbonfarben gestreifte Knospen – ebenso wie auch die Landschaft – vom Bett aus zu sehen waren. Auf diesem Bett ließ Charlotte sich nun in meisterlicher Trägheit nieder, um Edward, der kurz vor seiner bevorstehenden Abreise in seinen fest geschnürten Schuhen über die leicht verbogenen Bodendielen stapfte, dass der Frisierspiegel auf seinem Ständer nur so klirrte, von seinen Sorgen abzulenken.
    Er war ein mittelgroßer, untersetzter, hellhäutiger Mann mit breiten, kantigen Schultern (sein linker Arm war ziemlich weit oben sauber abgetrennt worden, und zwar auf eine Weise, die den Schnitt dieser Schultern nicht in Mitleidenschaft gezogen hatte, obwohl die eine zwangsläufig stärker ausgebildet war als die andere) und durchdringenden, blassblauen Augen. Nach einer Weile blieb er stehen und setzte sich zu ihr. Voller Wärme und Vitalität sagte er: »Charlotte, ich werde alles für dich tun, was in meiner Macht steht.«
    Edward sagte oft derartige Dinge, aber anders als viele andere Menschen, die Charlotte auf Anhieb in den Sinn kamen, meinte er sie auch.
    Edward Swift war der jüngste Sohn eines anglo-irischen Architekten. Ohne jede Aussicht auf eine Erbschaft hatte er mit charakteristischer Hartnäckigkeit seinen eigenen Weg gemacht. Er hatte am Trinity College in Dublin Jurisprudenz studiert und war anschließend nach London gegangen, um seinen Beruf auszuüben. Die folgenden Jahre seines Lebens sind für diese Geschichte ohne Belang. Es genüge zu sagen, dass er sich, als er Charlotte Torrington kennenlernte – eine Frau von großer, bewegender Schönheit, noch in Trauer um den kürzlich dahingeschiedenen Horace Torrington –, auf der Stelle in sie verliebte. Er verliebte sich so heftig, wie Charlotte trauerte, und dort, in den Abgründen des Kummers und der sexuellen Anziehung, fanden sie zueinander.
    Als sie heirateten, waren die beiden älteren

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