Der ungezähmte Highlander
als guter Laird zeigen und gleichzeitig Keira gegenüber als guter Ehemann.«
»Das ist richtig. Aber ich frage mich, was sie dabei empfindet, wenn ich durch diese Ehe so viel gewinne, ja vielleicht mich sogar eines Platzes bemächtige, den sie selbst einnehmen wollte. Ihr Ehemann hat sie als Erbin eingesetzt, doch wir beide wissen, dass die Leute, sobald sie von Keiras Heirat erfahren, mich, ihren Ehemann, als ihren Laird betrachten, nicht sie.«
»Natürlich werden sie das. Ein starker Mann, der kämpfen kann, ist weit besser als eine kleine Frau. Aber ich denke, sie ist klug genug, das einzusehen.«
»Das schon, aber das heißt noch lange nicht, dass es ihr gefällt.«
»Dann musst du den Leuten eben klarmachen, dass ihr gleichberechtigt seid, dass sie für dich spricht und du für sie sprichst.«
Liam wollte Sigimor gerade für diesen ausgezeichneten Rat danken, als Keira in die Große Halle trat. Er vergaß alles, was er hatte sagen wollen. Sie trug ein weinrotes Kleid, das ihre sanften Kurven bestens zur Geltung brachte. Ihre glänzend schwarzen mit cremefarbenen Seidenschleifen geschmückten Locken wallten ihr über die schmalen Schultern. Das Gewand und ihr Haar unterstrichen ihren cremefarbenen Teint, und ein Hauch Zartrosa lag auf ihren Wangen, als sich ihr alle zuwandten. Liam ging wie unter einem Bann stehend auf sie zu.
»Hier kommt er«, wisperte Fiona.
»Wie sehe ich aus?«, fragte Keira. »Ich hätte mein Haar nicht offen tragen dürfen, schließlich bin ich eine Witwe.«
»Hör auf, dir Sorgen zu machen. Der Mann kann den Blick gar nicht von dir wenden.«
»Das heißt noch lange nicht, dass ihm gefällt, was er sieht. Er könnte auch vor Entsetzen gelähmt sein.« Sie lächelte ein wenig, als Fiona lachte, war aber zu aufgeregt, um einzustimmen.
Dann war Liam bei ihr. Er sah atemberaubend gut aus in seinem schwarz-goldenen Wams. Keira vermutete, dass er solche Tracht auch bei Hofe trug, und sie konnte gut verstehen, wie das auf die Frauen dort wirkte. Er verneigte sich vor Fiona, dann wandte er sich an sie, und Keira zog die Luft so hastig ein, dass sie beinahe gehustet hätte. Seine Augen leuchteten so blau, wie sie es immer taten, wenn er sie küsste. Offenkundig gefiel ihm, was er sah.
Bei seinem offensichtlichen Wohlgefallen musste sie unwillkürlich an die Nacht denken, die vor ihr lag. Sie erbebte. In der letzten Nacht hatte sie sich lange schlaflos herumgewälzt und gegrübelt, wie sie Liam ihr Geheimnis beichten sollte. Schließlich war sie eingeschlafen in der Hoffnung, dass er es vielleicht gar nicht merken würde. Nun, am helllichten Tag, nur wenige Schritte davon entfernt, das Ehegelübde abzulegen, wusste sie, dass diese Hoffnung lächerlich war. Vielleicht hatte Liam nie ein unschuldiges Mädchen beschlafen, aber es würde ihm bestimmt auffallen, zumal bei einer Frau, die drei Monate lang verheiratet gewesen war.
»Alles wird gut, Mädchen«, flüsterte er ihr ins Ohr und küsste sie auf die Wange.
Keira lächelte und nickte, als er sie bei der Hand nahm und zum Priester führte, der sie am anderen Ende der Großen Halle erwartete. Sie hätte Liam gern geglaubt, doch es gelang ihr nicht. Eine törichte Stimme in ihr flüsterte, dass er ja vielleicht angenehm überrascht sein würde heute Nacht, aber die Stimme der Vernunft wies das höhnisch zurück. Vorher oder nachher – sie musste ihm die Wahrheit sagen und damit ihre tiefe Demütigung eingestehen. Das war einer der Gründe, warum sie es ihm nicht schon längst gesagt hatte – Verzeihung, ich bin zwar Witwe, aber ich fürchte, ich war nie eine richtige Ehefrau.
Ob heute Nacht eine richtige Ehefrau aus ihr werden würde? Endlich stellte sie sich ihrer größten Angst. Liam war zwar von ihren Küssen erregt, doch auch Duncan hatten sie scheinbar gefallen. Erst im Schlafgemach, als es über das Küssen hinausging, hatte nichts mehr geklappt. Tief in ihr nagte die grässliche Angst, dass sie bei Liam dieselbe erniedrigende Zurückweisung erleiden würde; denn nie hatte sie glauben wollen, dass das Problem bei Duncan und nicht bei ihr lag.
Als sie vor dem Priester auf einem Kissen knieten, merkte Keira, dass Liams Bein die Schienen nicht mehr trug. »Wo sind die Schienen?«, fragte sie leise. »Es ist doch noch keine sechs Wochen her.«
»Aber fast fünf«, erwiderte er. »Den Verband trage ich noch. Ich kann mich mit all dem Holz an meinem Bein doch nicht hinknien. Wenn wir die Ehegelübde gesprochen haben, lege ich die
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