Der ungezähmte Highlander
sprechen. »Schon allein um all der Männer hier und der anderen willen, die sich noch zu uns gesellen wollen, sollten wir versuchen, Malcolm zu finden. Malcolm ist kein Krieger, aber er wurde zum Ritter erzogen. Er hat in den letzten Monaten bestimmt etwas beobachtet oder ein Schwachstelle bemerkt, die ihr nutzen könnt.«
Dagegen konnte Liam nichts mehr einwenden, obwohl er es zu gern getan hätte. Und dass es auch Sigimor für einen guten Plan hielt, machte es ihm umso schwerer, auf seiner Ansicht zu beharren. Liam wusste, dass sein Cousin eine Frau nie unnötig in Gefahr bringen würde. Dass Sigimor Keira beipflichtete, hieß, dass er das Risiko für nicht allzu groß hielt oder zumindest davon ausging, dass es den Nutzen wettmachte, den sie daraus ziehen würden. Er hoffte, dass Ersteres der Fall war.
»Wenn es ganz dunkel ist, starten wir einen Versuch«, sagte er, auch wenn er das Zaudern in seiner Stimme nicht unterdrücken konnte. »Doch erst einmal sollten wir uns einen kleinen Unterschlupf bauen.«
»Es macht mir nichts aus, im Freien zu schlafen, Liam«, meinte Keira.
»Ich will nicht, dass du inmitten eines Heers schläfst. Bald werden Männer hier sein, die wir kaum kennen.«
Keira glaubte nicht, dass das ein großes Problem sein würde, denn schließlich waren genügend ihrer und seiner Cousins da; doch sie erhob keinen Einspruch mehr. So, wie sich Liams Miene verfinstert hatte, als Sigimor seine Belustigung kaum verhehlte, war es wahrscheinlich besser, den Mund zu halten. Im Grunde war ihr ein kleiner Unterschlupf – selbst wenn er nur aus Stöcken und Lehm bestand – ganz recht für den Fall, dass sich das Wetter verschlechterte. Sie hatte zwar nichts dagegen, im Freien zu schlafen, aber sie schätzte es wahrhaftig nicht besonders, wenn es kalt war und regnete.
Schließlich fanden sich viele Helfer. Keira hatte den Eindruck, dass ihre Verwandten wie Liams den Unterschlupf für eine gute Idee hielten, auch wenn sie Liam ein bisschen aufzogen. Ein Bote von Sir Ian MacLean war ins Lager gekommen und hatte berichtet, dass sein Laird in wenigen Stunden mit seinen Männern zu ihnen stoßen würde. Auch der Sohn eines anderen Lairds hatte elf seiner Männer geschickt. Die Ankunft der Fremden förderte offenbar die Hilfsbereitschaft ihrer Verwandten. Als Keira das Ergebnis begutachtete, beschloss sie, sich über ihre übertriebene Fürsorge nicht zu beklagen. Die Wände des Unterschlupfs bestanden aus Ästen und Steinen, das Dach aus einem geölten Tuch. Es war nur so hoch, dass man darunter sitzen konnte, aber es würde ihr selbst beim heftigsten Unwetter Schutz bieten. Vor den Eingang wurde ein weiteres geöltes Tuch gehängt, Liam und sie hatten also sogar so etwas wie einen eigenen, abgetrennten Raum.
Erst einige Zeit nach dem Abendessen fand Liam, dass es dunkel genug sei, um einen Besuch bei Malcolm zu wagen. Er gab zwar noch einmal zu bedenken, dass sich niemand sicher sein könne, dass Malcolm noch immer vertrauenswürdig sei, doch niemand hörte auf ihn. Zögernd gestattete er Keira, sie zu führen, und sie machten sich auf den Weg ins Dorf.
Liam war so damit beschäftigt, nach Anzeichen von Problemen Ausschau zu halten, dass er kaum auf den Weg achtete, den Keira eingeschlagen hatte. Erst als sie einen leisen, erstickten Schrei ausstieß, wurde ihm klar, dass sie in Sichtweite der Burg gekommen waren. Leise fluchend eilte er zu ihr und schloss sie in die Arme. Sie klammerte sich an ihn, vergrub ihr Gesicht an seiner Brust und weinte.
Als Liam zur Burg hinaufsah, fluchte er erneut. Fackeln auf den Zinnen warfen ihr Licht auf Raufs makabre Trophäensammlung. Die Leichen sahen jetzt noch schauerlicher aus als im Tageslicht. Allein dass Keira, eine weichherzige Frau und Heilerin, solche Brutalitäten mitansehen musste, reichte ihm als Grund, Rauf Moubray töten zu wollen.
»Ich hätte sie nie verlassen dürfen«, stieß Keira mit heiserer, bebender Stimme hervor.
»Sei nicht töricht, Liebes«, sagte er und bemühte sich, fest zu klingen. »Wenn du geblieben wärst, wärst du jetzt wahrscheinlich nur ein weiterer Stein dieser schaurigen Halskette.«
Keira stöhnte und entriss sich seiner Umarmung. »Mir ist übel.«
Das wunderte Liam nicht, denn ihm ging es ähnlich. Er überhörte ihre Aufforderung, sie allein zu lassen, und hielt sie fest, während sie sich heftig übergab. Als ihr Magen entleert war, zog Liam sie in den Schutz des Waldes zurück, von wo aus man Ardgleann nicht mehr
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