Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Titel: Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
Vom Netzwerk:
Gulden, einen Klacks für einen Mann in Ihrer Position, aber ich gebe Ihnen trotzdem eine Woche (genauer gesagt: sieben Tage), um diese Summe zu beschaffen. Seien Sie bereit!
     
    Auf Wiederhören.
    Ein Freund
     
     
    Handgeschrieben. Mit schmalen, regelmäßig geneigten Buchstaben. Schwarzer Tinte.
    Er las den Brief fünfmal hintereinander.

4
    »Bedrückt dich irgendetwas?«, fragte Vera Miller beim Essen. »Du kommst mir ein wenig niedergeschlagen vor.«
    »Nein.«
    »Sicher?«
    »Wirklich nicht«, beteuerte er. »Ich fühl mich nur nicht so ganz wohl, ich habe leichtes Fieber, glaube ich.«
    »Es hat doch wohl nichts mit mir zu tun? Mit uns, meine ich?«
    Sie spielte mit ihrem Weinglas und musterte ihn mit ernster Miene.
    »Nein, zum Henker ...«
    Er versuchte zu lachen, hörte aber selber, wie falsch es klang. Also leerte er lieber sein Glas.
    »Ich finde, es hat so gut angefangen, das mit uns«, sagte sie. »Ich möchte gern auch noch das zweite und das dritte Kapitel erleben.«
    »Natürlich. Glaub mir, ich bin ein bisschen müde, aber das hat nichts mit dir zu tun. Mir geht es wie dir ... das verspreche ich dir.«
    Sie lächelte und streichelte seinen Arm.
    »Gut. Ich hatte fast vergessen, dass Liebe so schön sein kann. Unglaublich, dass du vier Jahre auf Eis gelegen hast. Wie war das nur möglich?«
    »Ich habe auf dich gewartet«, sagte er. »Gehen wir ins Bett?«
     
    Als sie ihn an diesem Sonntag verlassen hatte, sehnte er sich fast sofort nach ihr. Sie hatten sich bis in den frühen Morgen geliebt, und es war genauso, wie sie gesagt hatte: dass diese starken Gefühle möglich waren, war fast ein Rätsel. Er ging wieder ins Bett und bohrte den Kopf ins Kissen. Nahm in langen Zügen ihren Duft in sich auf und versuchte, wieder einzuschlafen, aber das gelang ihm nicht. Die Leere war viel zu groß. Und das war doch wirklich verdammt merkwürdig.

    Der größte Unterschied der Welt, dachte er. Der zwischen einer Frau, die daliegt, und einer Frau, die gerade gegangen ist. Einer geliebten Frau. Einer neuen Frau?
    Nach einer Weile gab er auf. Holte die Zeitung, frühstückte und zog dann noch einmal den Brief hervor.
    Das war natürlich unnötig. Er kannte ihn schon auswendig. Jede Formulierung, jedes Wort, jeden Buchstaben. Er las ihn noch zweimal. Strich mit dem Daumen darüber, schätzte die Papierqualität ein. Sie war hoch, zweifellos, Papier und Umschlag vom selben Design. Dickes Büttenpapier, er nahm an, dass es in einem Buchladen in der Innenstadt gekauft worden war, wo Einzelstücke zu haben waren.
    Exquisiter Farbton noch dazu. Briefmarke mit Sportmotiv, eine Frau, die mit einem Diskus eine schwingende Bewegung beschrieb. Auf den Millimeter genau oben in der rechten Ecke platziert. Sein Name und seine Adresse waren in denselben leicht schrägen, spitzen Buchstaben geschrieben, in denen der Brieftext verfasst war. Der Ortsname war unterstrichen.
    Das war alles. Alles, was sich über diesen Brief sagen ließ. Mit anderen Worten, nichts. Oder auf jeden Fall fast nichts. Nicht einmal, ob der Brief von einem Mann oder einer Frau stammte, ließ sich feststellen. Er neigte ein wenig zu der Annahme, dass es sich um einen Mann handelte, aber das war eine bloße Vermutung. Möglich war alles.
    Zehntausend, überlegte er sich zum hundertfünfzigsten Mal seit dem Montagabend. Warum nur zehntausend?
    Natürlich war auch das eine ansehnliche Summe, aber dennoch — wie im Brief ja ganz richtig erwähnt wurde —, es war keine direkt überzogene Forderung. Auf der Bank hatte er mehr als das Doppelte, er hatte ein Haus und andere Vermögenswerte, die zehnmal so viel wert waren. Der Erpresser (wenn es also ein Mann war) hatte außerdem den Ausdruck »ein Mann in Ihrer Position« benutzt, was andeutete, dass er mit Lebensumständen und Einkommenshöhe seines Opfers vertraut war.

    Warum sich also mit zehntausend begnügen? Vielleicht kein »Klacks«, aber doch immerhin ein geringer Preis. Sogar spottbillig, wenn man bedachte, worum es hier ging.
    Der Briefschreiber war außerdem aller Wahrscheinlichkeit nach ein ziemlich gebildeter Mensch. Seine Handschrift war gleichmäßig und sauber, im Brief gab es keine sprachlichen Schnitzer, und alles war präzise formuliert. Zweifellos müsste (musste?) dem Betreffenden klar sein, dass er mehr herausholen könnte. Dass er für sein Schweigen einen geringen Preis forderte.
    Zu diesem Schluss kam er immer wieder. Schließlich staunte er auch darüber, wie leicht es ihm

Weitere Kostenlose Bücher