Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
auf der Fahrbahn. Was — auf eine seltsame, perverse Art — auch sein Schuldbewusstsein erleichterte. So kam es ihm zumindest vor. Er wollte, dass es ihm so vorkam.
Im Auto, auf dem Vordersitz, fand er einen einzigen Grund zur Besorgnis: einen dunkleren ovalen Flecken, ungefähr eigroß, weit rechts, auf dem beigen Bezug. Er hatte guten Grund zu der Annahme, dass es sich hierbei um Blut handelte, und er verbrachte eine halbe Stunde bei dem Versuch es wegzuschrubben. Das gelang ihm nicht, der Fleck ließ sich nicht beeindrucken, er war offenbar tief in den Stoff eingedrungen, und er beschloss, sich in nächster Zeit einen Schonbezug zuzulegen. Nicht sofort ... in einigen Wochen wohl besser, wenn der Fall ein wenig in Vergessenheit geraten war.
Das Blut des Jungen hatte auch noch andere Spuren hinterlassen, auf Rad und Gangschaltung, aber es war kein Problem, die loszuwerden. Die Kleidungsstücke, die er am vergangenen Abend getragen hatte, suchte er sorgfältig zusammen und verbrannte sie unter einer gewissen Rauchentwicklung im offenen Kamin des Wohnzimmers. Danach überkam ihn für einen Moment die Panik, bei dem Gedanken, was er machen sollte, wenn er nach dieser Kleidung gefragt würde. Rasch beruhigte er sich jedoch wieder; es war doch höchst unwahrscheinlich, dass ihm jemand auf die Spur kommen und von ihm Rechenschaft für solche Belanglosigkeiten verlangen würde. Für eine schnöde Cordhose? Eine alte Jacke und ein blaugraues Baumwollhemd? Er hätte sich ihrer auf tausend legitime Weisen entledigen, hätte sie wegwerfen oder in die Altkleidersammlung geben können, was auch immer.
Doch vor allem: Niemand würde ihm auf die Spur kommen.
Später an diesem Nachmittag, als die Dämmerung sich gesenkt und ein Nieselregen eingesetzt hatte, ging er zur Kirche. Zur alten Vroonsbasilika, die zwanzig Gehminuten von seinem Haus entfernt lag. Dort saß er eine halbe Stunde lang mit gefalteten Händen in einem Seitenschiff und versuchte sich für Stimmen aus seinem Inneren — oder von irgendwo weiter oben — zu öffnen, aber nichts machte sich bemerkbar und nichts tauchte auf, was ihn hätte beunruhigen müssen.
Als er die menschenleere Kirche verließ, sah er ein, wie wichtig es war, dass er sich diesen Besuch gegönnt hatte: dass er sich die Zeit genommen hatte, einfach so im Seitenschiff zu sitzen. Ohne weitere Absichten oder Hoffnungen. Ohne falsche Vorspiegelungen und Beweggründe.
Sah ein, dass es eine Art Probe gewesen war und dass er sie bestanden hatte.
Es war seltsam, aber dieses Gefühl war stark und unzweideutig, als er das dunkle Gewölbe verließ. Es ähnelte einer Katharsis. Auf dem Heimweg kaufte er zwei Abendzeitungen, beide brachten auf der Titelseite das Bild des toten Jungen. Dasselbe Bild übrigens, mit unterschiedlichem Vergrößerungsgrad; ein fröhlich lächelnder Junge mit Lachgrübchen, leicht schräg stehenden Augen und dunklen, nach vorn gekämmten Haaren. Keine Kapuze, kein Blut. Er erkannte ihn nicht wieder.
Zu Hause konnte er dann feststellen, dass der Junge Wim Felders geheißen hatte, dass er in wenigen Tagen sechzehn geworden wäre und dass er das Weger-Gymnasium besucht hatte.
Beide Zeitungen brachten Details, Informationen und Spekulationen, und die allgemeine Sicht der Ereignisse wurde in der Poost auf der dritten Seite zusammengefasst:
HELFEN SIE DER POLIZEI,
DEN FLÜCHTIGEN FAHRER ZU FASSEN!
Auch die möglichen Folgen wurden erwähnt, für den Fall, dass die Polizei den Täter ausfindig machen konnte. Zwei bis drei Jahre Gefängnis schienen durchaus im Bereich des Möglichen.
Er zählte seinen Alkoholpegel dazu — der sich sicherlich mit Hilfe des aufmerksamen Restaurantpersonals rekonstruieren lassen würde — und erhöhte diese Zahl auf fünf bis sechs. Mindestens. Trunkenheit. Unachtsamkeit im Verkehr und fahrlässige Tötung. Fahrerflucht.
Fünf bis sechs Jahre hinter Schloss und Riegel. Wozu sollte das gut sein?, fragte er sich. Wem könnte eine solche Entwicklung irgendeine Freude machen?
Er warf die Zeitungen in den Mülleimer und griff zur Whiskyflasche.
3
Drei Nächte lang träumte er von dem Jungen, danach war er verschwunden.
Wie auch in den Zeitungen. Die schrieben am Freitag, am Samstag und am Sonntag über Wim Felders, doch als dann am Montag die neue Arbeitswoche begann, beschränkten sie sich auf die kurze Meldung, dass die Polizei noch immer im Dunkeln tappe. Keine Zeugen hatten sich gemeldet, keine eindeutigen Spuren hatten sich sichern
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