Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
nicht sehen wollte, dieser Gedanke durchfuhr ihn. Und als hülle er sie behutsam ein ... solche Gedanken stellten sich in
solchen Situationen oft ein. Wörter, Phrasen und Bilder; derselbe vergebliche Versuch, die Wirklichkeit zu verbergen, wie ihn der Himmel unternahm, gewissermaßen.
»Grauenhaft«, sagte Joensuu. »Fesches Frauenzimmer. Jetzt nicht mehr, natürlich ...«
»Wie lange seid ihr schon hier?«, fragte Reinhart.
Joensuu schaute auf die Uhr.
»Vierzehn Minuten«, sagte er. »Der Anruf kam um 10 Uhr 39. Um ’58 waren wir hier.«
Reinhart nickte. Stieg über den Straßengraben. Beugte sich über den Leichnam und musterte ihn einige Sekunden lang.
»Blut«, sagte Joensuu, ohne sich umzudrehen. »Das Laken ist blutverschmiert. Und der Kopf auch. Da hat jemand zugeschlagen.«
Reinhart richtete sich auf und ballte in der Tasche eine Faust. Es stimmte sicher. Die Laken — denn es handelte sich offenbar um zwei — waren nicht nur von Lehm und Schmutz besudelt; über die eine Schulter zog sich eine Reihe von Striemen und Tropfen und wie Kellerman gesagt hatte, klebten die Haare auf der rechten Schädelseite von etwas fest, bei dem es sich wohl nur um Blut handeln konnte.
Oder höchstens noch um Gehirnmasse.
Zwei weitere Wagen trafen ein. Reinhart begrüßte Kommissar Schultze, der über hundertzwanzig Kilo wog und stellvertretender Chef des Einsatzteams war.
»Es schneit«, erklärte er düster. »Wirklich ein Mist, da müssen wir einen Baldachin besorgen.«
Reinhart blieb noch eine Weile stehen und sah zu, wie Schultzes Leute schmale Metallstangen in den weichen Boden rammten und ein Meter über dem Opfer ein dünnes Tuch ausspannten. Danach wünschte er ihnen alles Gute und ging zurück zum Bus. Befahl Kellerman, sich zu Joensuu zu gesellen und für eine ordentliche Absperrung zu sorgen.
Und Schultze und seinen Leuten ganz allgemein behilflich zu sein.
Moreno schien aus Fahrgästen und Busfahrer das wenige herausgeholt zu haben, was aus ihnen herauszuholen war. Sie waren im Bus vorbeigefahren, und eine von ihnen hatte den Leichnam gesehen, das war alles. Nachdem er Namen und Adressen notiert hatte, erklärte Reinhart, sie könnten jetzt weiterfahren. Ein kurzes Palaver folgte, da keine der drei Frauen noch in die Keymerkirche wollte — und die Hochmesse hatte ja ohnehin längst angefangen —, und schließlich gab Vlaarmeier sich geschlagen, drehte den Bus und fuhr die Damen zurück nach Kaustin.
Der Fahrplan war ja doch schon längst zum Teufel gegangen, und auf andere Fahrgäste brauchte er keine Rücksicht zu nehmen. Sonntags nie.
Eine halbe Stunde später verließen auch Reinhart und Moreno den Tatort. Sie nahmen einen ersten mündlichen Bericht von Schultze mit. Die Tote war eine rothaarige Frau von Mitte dreißig. Sie war durch mehrere Schläge gegen Kopf und Nacken getötet worden, vermutlich während der Nacht oder den frühen Morgenstunden. Wohl eher früher als später, in Anbetracht der Totenstarre. Sie war ganz nackt, abgesehen von den beiden Laken, in die sie eingewickelt worden war, und es war anzunehmen, dass der Leichnam von einem Auto aus an den Straßenrand geworfen worden war. Nichts war gefunden worden, was die anstehenden Ermittlungen erleichtert hätte, aber die Leute von der Spurensicherung krochen weiterhin herum und suchten und würden noch einige Stunden damit weitermachen.
Sowohl unter als auch in der Umgebung des aufgespannten Baldachins.
Als Reinhart und Moreno sich in ihren Wagen setzten, wurde der grüne Leichensack mit der Toten in ein anderes Fahrzeug gehoben, um nach Maardam und zur Gerichtsmedizin gebracht zu werden. Es hatten sich keine Gaffer eingestellt, die wenigen Autos, die während dieser gottverlassenen Sonntagsstunden vorbeigekommen waren, waren von Joensuu
oder Kellerman gebieterisch durchgewunken worden. Oder von beiden.
Es schneite noch immer.
»Erster Advent«, sagte Reinhart. »Heute ist der erste Advent. Schöner Rahmen. Wir sollten ein Licht anzünden.«
Moreno nickte. Dachte, dass Totensonntag wesentlich passender gewesen wäre, doch der lag nun einmal bereits eine Woche zurück. Sie bewegte den Kopf und schaute auf die flache Landschaft, wo die spärlichen, großen Flocken langsam auf den dunklen Boden rieselten. Grautöne. Nur Grautöne, so weit das Auge reichte. Und fast kein Licht. Sie hatte an diesem Morgen ausschlafen wollen. Zwei Stunden mit der Zeitung im Bett liegen und frühstücken. Nachmittags schwimmen gehen.
Das
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