Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
hatte sie vorgehabt. Aber es war anders gekommen. Sie würde den Tag mit Arbeit verbringen. Den ganzen Tag vermutlich; zumindest, wenn sie die Tote frühzeitig identifizieren konnten. Verhöre und Gespräche mit den Angehörigen. Fragen und Antworten. Tränen und Verzweiflung; es war nicht besonders schwer, sich das alles vorzustellen. Während Reinhart brummend und fluchend die schmale, nasse Fahrbahn bezwang, hoffte sie kurz, dass sie nicht so bald erfahren würden, wer sie war ... dass diese anonyme Tote noch einige Stunden anonym bleiben würde. Oder auch einige Tage. Es war möglicherweise sogar ein frommer Wunsch, wenn man an die nächsten Angehörigen dachte; wer immer das nun sein mochte, aber mit ihren eigenen Aufgaben als Kriminalpolizistin ließ er sich nicht vereinbaren. Passte auch schlecht zu der alten Regel, wonach die ersten Stunden einer Ermittlung immer die wichtigsten waren — passte besser, bedeutend besser, wie sie zugab, zu der schwachen Hoffnung, dass sie am Nachmittag vielleicht doch noch zwei Stunden Schwimmen herausschlagen konnte.
Wir sollten unsere Beweggründe nie verwässern, dachte Ewa Moreno und seufzte. Das war die feste Redensart des Hauptkommissars gewesen, eine der Redensarten, die sich ihr eingeprägt
hatten. Warum will ich immer duschen, wenn ich eine Leiche gesehen habe, dachte sie dann. Vor allem, wenn es sich um eine Frau handelt. Muss irgendwas mit Empathie zu tun haben. . .
»Warum er sie wohl da abgelegt hat«, damit riss Reinhart sie aus ihren Überlegungen. »Mitten in der Walachei. Wäre doch gescheiter gewesen, sie im Wald zu verstecken.«
Moreno überlegte.
»Vielleicht hatte er es eilig.«
»Kann sein. In seinem Auto müsste es jedenfalls Blut geben. Und ein Auto muss er gehabt haben. Wenn wir das finden, haben wir ihn. Was glaubst du?«
»Im Moment noch gar nichts«, sagte Moreno und zuckte mit den Schultern.
»Man kann ja immer hoffen«, sagte Reinhart. »Hoffen, dass ihr Ehemann oder wer immer es war, sich schon gestellt hat. Das kommt doch häufiger vor ... doch, ich spüre schon, dass er jetzt bei Krause auf uns wartet.«
»Glaubst du?«, fragte Moreno.
»Aber sicher«, sagte Reinhart. »Er wartet auf uns. Verkatert und halb wahnsinnig ... Samstagabend und ein paar Glas zu viel ... ein kleiner Streit, eine kleine Untreue, und schon hatte er das Bügeleisen in der Hand. Ja, die armen Teufel. Die Menschen sollten uns Leid tun.«
»Ja«, sagte Moreno. »Du hast Recht, wir sollten vielleicht eine Kerze anzünden.«
Doch weder bei Krause noch anderswo im Polizeigebäude wurden sie von einem Täter erwartet. Und während der folgenden Stunden wurde auch keine Frau mit roten Zehennägeln und roten Haaren vermisst gemeldet. Gegen halb zwei wurden Reinhart und Moreno Fotos vom Tatort hereingereicht, bald darauf kam ein ausführlicherer Bericht von Ärzten und Technikern.
Die Tote war 172 Zentimeter groß und wog zweiundsiebzig
Kilo. Sie hatte dunkelrote Haare, sowohl auf dem Kopf als auch am Schoß, sie hatte keine Kinder geboren und hatte unmittelbar vor dem Mord Geschlechtsverkehr gehabt. Vor dem Mord, beschlossen Reinhart und Moreno, ohne ein Wort darüber zu wechseln; in ihrer Scheide gab es jede Menge Sperma, noch ein sicherer Beweis, falls sie den Täter fanden. Sie brauchten die Spermien einfach nur einzufrieren und dann einen DNS-Test vorzunehmen. Aber es musste ja nicht derselbe sein — der, der sie in den Stunden vor ihrem Tod geliebt hatte, und der, der dann für das andere gesorgt hatte. Für ihren Tod. Obwohl natürlich ziemlich viel dafür sprach. Das fanden Reinhart und Moreno beide.
Gesunde Zähne und ansonsten keine besonderen Kennzeichen. Sie war durch drei kräftige Schläge auf den Kopf und einen im Nacken getötet worden. Der relativ hohe Blutverlust stammte vor allem von einem der vorderen Schläge, der eine Schläfenader zertrennt hatte. Die Mordstätte war nicht bekannt, aber sie war auf keinen Fall mit dem Fundort identisch. Der Zeitpunkt musste noch genauer festgelegt werden, hatte aber wohl zwischen zwei und vier Uhr in der Nacht zum Sonntag gelegen. Keine Kleider oder andere Habseligkeiten waren am Fundort entdeckt worden, auch sonst keine Gegenstände. Das im Leib der Frau verbliebene Blut wies eins Komma sechsundfünfzig Promille auf.
»Sie hatte einen sitzen«, stellte Reinhart fest. »Man kann nur hoffen, dass es die Sache erleichtert hat. Verdammte Scheiße.«
Moreno legte den Bericht der Gerichtsmedizin
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