Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
beiseite.
»Heute Abend gibt es mehr. Meusse ist voll am Werk. Sollen wir uns ein paar Stunden freinehmen?«
Als Moreno zum Schwimmbad im Birkenweg ging, war der Schnee in Regen übergegangen. Die Dämmerung senkte sich über die Stadt, obwohl es noch keine drei war, und wieder fiel ihr ein, was Reinhart über die Kerze gesagt hatte.
Doch als sie den namenlosen Frauenkörper aus Korrim vor
ihrem inneren Auge sah, wurde ihr klar, dass sie sich doch eher zur Dunkelheit hingezogen fühlte.
Es war so ein Tag, stellte sie fest. Einer, der nicht richtig geöffnet werden darf — oder den man selber nicht zu öffnen wagt. Den man einfach über sich ergehen lässt, indem man Sinne und Bewusstsein nur als schmale Spalten zur Wirklichkeit hin öffnet.
So ein Tag. Oder so eine Wirklichkeit?
Austernleben, dachte sie und schob das schwere Tor der Schwimmhalle auf. Wie sie wohl geheißen hat? Und ob ich das auch hätte sein können?
19
»Er ist da«, sagte Krause. »Wir sind gerade zurückgekommen.«
»Wer denn?«, fragte Reinhart. »Und woher?«
»Andreas Wollger«, sagte Krause. »Der Ehemann. Positive Identifizierung.«
Reinhart starrte das Telefon an. Starrte dann die Uhr an. Es war zwei Minuten nach acht, es war Montagmorgen.
»Hast du den Täter gefunden und mir nichts gesagt?«
Krause hustete ins Telefon.
»Nicht den Täter. Ihren Mann. Er sitzt jetzt mit Polizeianwärterin Dobbermann bei mir. Es geht ihm nicht sehr gut. Wir waren eben bei der Gerichtsmedizin und haben sie uns angesehen. Kein Zweifel. Sie hieß Vera Miller.«
»Vera Miller?«, fragte Reinhart. »Warum rufst du erst jetzt an? Woher willst du wissen, dass nicht er das Bügeleisen gehalten hat?«
»Das Bügeleisen?«, fragte Krause.
»Oder was zum Teufel es nun gewesen sein mag ... woher weißt du, dass er es nicht war?«
Er konnte hören, wie Krause ein Klavier verschob. Aber vielleicht seufzte er auch nur.
»Es ist doch erst acht«, sagte Krause dann. »Wollger ist um Viertel vor sieben aufgetaucht, und dann sind wir sofort zu ihr gefahren. Hat der Kommissar vor, herzukommen und mit ihm zu reden, oder will er mich weiterhin per Telefon verhören? Ansonsten bin ich ziemlich sicher, dass kein Bügeleisen in die Sache verwickelt war.«
Er wird langsam frech, dachte Reinhart, als er aufgelegt hatte. Der Anwärter.
Dass Andreas Wollger sich nicht gerade wohl fühlte, war von Krause absolut korrekt beobachtet worden. Als Reinhart das Zimmer betrat, saß er kerzengerade auf einem Stuhl und hatte auf seinen Knien die Fäuste geballt. Er starrte ins Leere, während Polizeianwärterin Elise Dobbermann neben ihm stand und ein ratloses Gesicht machte. Sie trug die allerneueste – und nicht sonderlich fantasievolle — Dienstuniform für Polizistinnen. Reinhart dachte noch schnell, wie froh er war, dass er keine Frau war — oder zumindest keine Polizistin mit Uniformpflicht.
»Hm«, sagte er. »Herr Wollger, ich bin Kommissar Reinhart.«
Er streckte die Hand aus. Nach einer Weile erhob Andreas Wollger sich und griff danach. Dann setzte er sich wieder und starrte weiter ins Leere. Reinhart blieb stehen und musterte ihn, was ihm nicht zu gefallen schien. Ein ziemlich großer, ziemlich kompakt gebauter Mann von knapp vierzig, schloss Reinhart. Jeans, dunkelblaues Polohemd, zerknittertes graues Jackett. Großer Kopf, einsetzende Kahlheit. Bleiche Augen hinter Nickelbrille. Ein weicher Zug um Mund und Kinnpartie.
Er war es nicht, war Reinharts erste Überlegung.
Aber man soll keine übereilten Schlüsse ziehen, war die zweite.
»Könnten Sie ein paar einfache Fragen beantworten?«
»Fragen?«, wiederholte Wollger.
»Möchten Sie etwas trinken? Kaffee? Tee?«
Wollger schüttelte den Kopf.
»Einen Moment«, sagte Reinhart und zog Polizeianwärterin Dobbermann ein Stück beiseite. Senkte die Stimme und fragte sie ganz allgemein nach dem Stand der Dinge. Flüsternd berichtete sie, dass Wollger nach der Konfrontation mit dem Leichnam seiner Ehefrau in der Gerichtsmedizin einen Schluck Saft und eine halbe Tasse Kaffee getrunken habe. Aber sie hatten nicht viel aus ihm herausbringen können. Weder vor noch nach der Identifizierung. Weder sie noch Krause. Reinhart nickte und bat sie, Dr. Schenk aus seinem Büro im ersten Stock zu holen. Dann wandte er sich wieder Herrn Wollger zu.
»Ich brauche leider einige Auskünfte. Danach kommt ein Arzt und wird dafür sorgen, dass Sie sich ein wenig ausruhen können. Sie heißen also Andreas
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