Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
passierte, dachte er nicht mehr darüber nach als über irgendeine andere beliebige Wegmarkierung. Es war, wie es war. Das, was dort passiert war, schien jetzt so weit zurückzuliegen, dass es nichts mehr mit ihm zu tun hatte. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern. Falls das überhaupt sein Wunsch war.
Hinter der Alexanderbrücke bog er nach links ab, folgte der
Zwille bis zur Pixnerbrauerei und erreichte den Randerspark von Süden her. Hielt vor dem Eingang zum Minigolfplatz, der um diese Tageszeit natürlich geschlossen war. Oder um diese Jahreszeit. Blieb noch eine Weile im Auto sitzen. Es war zwei Minuten vor halb vier. Der Park sah düster und überwältigend aus, eingeschlossen in seinen eigenen tiefen Winterschlaf. Die Natur verschließt nachts ihre Sinne, dachte er, und er fragte sich, warum sein Widersacher sich ausgerechnet einen solchen Ort ausgesucht haben mochte. Wohnte er in der Nähe oder hatte ihn nur die Unzugänglichkeit der Gegend dazu bewogen? Es wies auf jeden Fall auf übertriebene Vorsicht hin; es musste doch hunderte von unbewachten Abfalleimern geben, die leichter zu erreichen gewesen wären. Beim ersten Mal hatte er die Transaktion in einem Restaurant durchführen lassen, vor einer Versammlung von möglichen Zeugen, aber in dieser Nacht galten offenbar andere Bedingungen.
In dieser Nacht würde er keinen Boten senden. In dieser Nacht würde der Erpresser selber seine Tüte holen, und er würde das in dem Wissen tun, dass sein Opfer von einem anderen Kaliber war als anfänglich angenommen. Von einem ganz anderen Kaliber.
Er hätte fast lachen mögen bei diesem Gedanken, und natürlich zeugte es von Stabilität und Kontrolle, dass er hier in der Dunkelheit mitten in der Nacht in seinem Auto warten konnte, ohne nervös zu werden. Wenn der Erpresser seine Bedingungen nicht hinnehmen mochte, dann könnte das dazu führen, dass schon in den frühen Morgenstunden die Polizei bei ihm vor der Tür stehen würde. Das war durchaus nicht unmöglich.
Er betastete das Paket. Fragte sich, ob sein Widersacher wohl sofort begreifen würde, dass es keine zweihunderttausend enthielt, oder ob er das erst zu Hause feststellen würde. Die beiden alten Zeitungen, die er in Streifen gerissen und in die Tüte gestopft hatte, sollten durchaus nicht die Illusion von Geld vermitteln. Sondern nur für ein gewisses Gewicht sorgen.
Zwei zerfetzte Zeitungen und ein Umschlag, um genau zu sein.
Fünftausend Gulden und die Bitte um drei Tage Aufschub, das sollte der Widersacher für die Arbeit dieser Nacht kassieren.
Diese Summe hatte er sich genau überlegt. Es war genau die Hälfte dessen, was beim letzten Mal verlangt worden war, und mehr würde der andere nie bekommen. Er sollte glauben, dass der Rest in der Nacht auf den Donnerstag auf ihn warten werde, und er würde diesen Köder doch wohl schlucken? Drei Tage zusätzliches Warten und einen Bonus von fünfzehntausend, und was war die Alternative? Zur Polizei zu gehen und gar nichts zu kassieren? Kaum vorstellbar.
Er schaute auf die Uhr. Viertel vor vier. Er griff zur Tüte, stieg aus dem Auto und ging in den Park.
Er hatte sich vorher darüber informiert, wo das Hugo-Maertens-Denkmal stand, und es stellte sich heraus, dass die Stelle sehr klug ausgesucht worden war. Die Dunkelheit in dem überwucherten Park kam ihm vor wie ein schwarzes Loch, und kaum hatte er das bleiche Scheinwerferlicht entdeckt, das die Statue anstrahlte, wusste er, dass er sich nicht verirrt hatte. Er blieb einen Moment stehen, dann betrat er die kleine Lichtung, auf der Wege aus vier oder fünf Richtungen aufeinander trafen.
Dann blieb er wieder stehen und horchte ins Schweigen hinaus. Dachte daran, dass der Widersacher sich vermutlich irgendwo in der Nähe aufhielt; dass er vielleicht ebenfalls restlos angespannt in der nächtlichen Dunkelheit stand, mit dem Mobiltelefon in der Hand, und wartete. Oder in einer in der Nähe gelegenen Telefonzelle.
Billardkugeln, dachte er noch einmal. Kugeln, die aufeinander zurollen, die aber die Kollision um wenige Millimeter verfehlen. Deren Bahnen einander schneiden, die den Zusammenprall jedoch um einige Minuten verpassen. Um Sekunden.
Um jämmerliche Bruchteile von Zeit.
Er ging zum Papierkorb und drückte die Tüte hinein.
Auf dem Rückweg nach Boorkheim überlegte er, wie er sich bei einer Panne verhalten sollte. Eine sonderlich angenehme Vorstellung war das nicht. Am Straßenrand zu stehen und einen nächtlichen Autofahrer
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