Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
war sie zwar auf ihn und die vergeudeten fünf Jahre wütend gewesen, hatte aber deshalb nicht alle Kerle über einen Kamm geschoren. Und Münster schon gar nicht. Ihn nicht.
Aber sie hatte Reinhart ziemlich harsch angefahren. Nur, weil er ihr auf den wehen Zeh getreten hatte. Reinhart war doch gar nicht ihr Typ — wenn es so etwas überhaupt gab —, aber sie hatte ihn immer für einen guten Menschen und guten Polizisten gehalten.
Und für einen Kerl.
Muss irgendwas unternehmen, dachte sie, als sie unter die Dusche trat, um sich ihr Elend abzuspülen.
Vielleicht nicht sofort, aber auf Dauer schon. Einunddreißig Jahre und eine verbitterte Männerhasserin?
Oder eine verzweifelte Jägerin? Noch schlimmer, natürlich. Nein danke, es gab bessere Zukunftsstrategien — musste sie einfach geben.
Wenn auch nicht gerade jetzt. An diesem Abend hatte sie weder Zeit noch Energie noch Ideen. Da widmete sie sich lieber
anderen Dingen. Zum Beispiel ihrer Herausforderung an ihn.
Zehn vorstellbare Verbindungen zwischen Erich Van Veeteren und Vera Miller.
Zehn, dachte sie. Welche Kühnheit.
Mal sehen, ob ich drei finde.
Oder zwei.
Oder wenigstens eine?
Winnifred hatte gerade ihre Tage bekommen, und Joanna hatte endlich die Segnungen des Penizillins akzeptiert, und deshalb konnte Reinhart sich weder der einen noch der anderen widmen. Er saß vor einem alten Truffaut-Film auf dem Sofa, während Winnifred sich im Arbeitszimmer auf das Seminar des folgenden Tages vorbereitete. Sie weckte ihn, als der Film zu Ende war; dann verglichen sie noch angesichts einer möglichen Osterreise eine Viertelstunde lang Leros und Sakynthos, und als sie endlich im Bett lagen, konnte er nicht schlafen.
Zwei Gedanken schwirrten durch seinen Kopf.
Der Erste hatte mit Van Veeteren zu tun. Er war am nächsten Tag mit ihm verabredet und würde eingestehen müssen, dass sie noch immer auf der Stelle traten. Dass sie, nach drei Wochen Arbeit, bei der Suche nach dem Mörder seines Sohnes noch immer nicht eine einzige heiße Spur besaßen. Natürlich würde er auf diese seltsamen Umstände um den Nackenschlag und Vera Miller eingehen, aber sehr viel war das ja auch wieder nicht.
Wir wissen nicht, was los ist, würde er zugeben müssen. Nicht mehr als ein Huhn beim Abendmahl.
Das war einfach schrecklich, fand Kommissar Reinhart.
Sein anderer Gedanke galt Ewa Moreno.
Ich bin ein verdammtes Trampeltier, dachte er. Nicht immer, aber ab und zu. Er hatte ihr zehn plausible Verbindungen versprochen, hatte aber nicht die geringste Vorstellung, wie die
aussehen könnten, und zu allem Überfluss hatte er sie auch noch gekränkt.
Er hatte sie gekränkt und sich in Sachen eingemischt, die ihn rein gar nichts angingen.
Und auch das war einfach schrecklich.
Um zwei Uhr stand er auf und rief sie an.
»Schläfst du?«, fragte er. »Hier ist Reinhart.«
»Das höre ich«, sagte Ewa Moreno. »Nein, ich war noch wach.«
»Ich wollte um Entschuldigung bitten«, sagte Reinhart. »Ich meine, ich rufe an, um um Entschuldigung zu bitten. Ich bin ein verdammtes Trampeltier.«
Sie schwieg einen Moment.
»Danke«, sagte sie dann. »Für die Entschuldigung, meine ich. Aber ich glaube nicht, dass du ein besonders arges Trampeltier bist. Ich war aus dem Gleichgewicht geraten, es war mein Fehler.«
»Hmpf«, sagte Reinhart. »Begabt. Und hilfreich. Zwei erwachsene Menschen tauschen mitten in der Nacht per Telefon Entschuldigungen aus. Muss mit den Sonnenflecken zusammenhängen, entschuldige, dass ich anrufe ... nein, verdammt, jetzt habe ich es noch einmal getan.«
Moreno lachte.
»Warum schläfst du nicht?«, fragte Reinhart.
»Ich denke über zehn vorstellbare Verbindungen nach.«
»Eiwei. Und wie viele hast du schon?«
»Keine«, sagte Moreno.
»Sehr gut«, sagte Reinhart. »Ich werde sehen, was ich tun kann. Gute Nacht, wir sehen uns morgen unter einem kalten Stern.«
»Gute Nacht, Hauptkommissar«, sagte Moreno. »Warum bist du eigentlich noch wach?«
Aber Reinhart hatte schon aufgelegt.
23
Van Veeteren schaute zu, wie der phosphoreszierende Sekundenzeiger langsam um das Zifferblatt wanderte. Er machte das schon eine ganze Weile, aber jede neue Umdrehung war eben eine neue Umdrehung. Plötzlich fiel ihm ein, dass er vor langer Zeit in der Vorpubertät — wenn er so etwas wirklich gehabt hatte — sich in schlaflosen Nächten immer wieder den Puls gefühlt hatte. Er beschloss, auch jetzt eine Kontrolle vorzunehmen.
Zweiundfünfzig in der ersten
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