Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
Hintergrund denkt. Dass eine solche Tat in sich dermaßen widerlich ist, dass du beim bloßen Gedanken daran schon kotzen könntest ... dass du spontan den Mörder am liebsten unter einem Hochhaus zerquetschen würdest, ja, das ist etwas anderes. Etwas ganz anderes.«
Er verstummte. Sie musterte ihn mit ernster Miene und griff dann über den Tisch hinweg nach seiner Hand.
»In dieser Kluft zwischen der Moral der Gesellschaft und der des Individuums wird das Verbrechen geboren«, fügte Van Veeteren
hinzu und fragte sich im selben Moment, wie allgemeingültig das überhaupt war.
»Und wenn sie nun Erichs Mörder finden«, sagte Ulrike, »wirst du den dann auch verstehen?«
Er antwortete nicht sofort. Schaute wieder auf den Strand. Die Sonne hatte sich zurückgezogen, und das Wetter war vermutlich so wie zu jener Zeit, ehe irgendein Gott auf die Idee gekommen war, es zu erfinden. Acht Grad über Null, leichter Wind, weißer Himmel.
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Deshalb will ich ihm ja von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen.«
Sie ließ seine Hand los und runzelte die Stirn.
»Ich versteh nicht, wie du dich dieser Belastung aussetzen kannst«, sagte sie. »Dich dem Mörder deines Sohnes gegenübersetzen zu wollen. Manchmal verstehe ich dich einfach nicht.«
»Ich auch nicht, und das habe ich auch nie behauptet«, sagte Van Veeteren.
Und ich habe auch nie gesagt, dass ich dann keine Kugel zwischen diese Augen pflanzen will, dachte er, aber das sagte er nicht.
Auf dem Heimweg machte Ulrike einen Vorschlag.
»Ich möchte, dass wir seine Freundin zum Essen einladen.«
»Wen?«, fragte Van Veeteren.
»Marlene Frey. Wir laden sie für morgen Abend zum Essen ein. Bei dir. Ich rufe sie nachher an.«
Er hatte noch nie an eine solche Möglichkeit gedacht. Er fragte sich, warum. Danach schämte er sich zwei Sekunden lang und sagte schließlich ja.
»Unter der Voraussetzung, dass du dann über Nacht bleibst«, fügte er hinzu.
Ulrike lachte und tippte ihm mit der Faust auf die Schulter.
»Das habe ich doch schon versprochen«, sagte sie. »Donnerstag, Freitag und Samstag. Jürg ist mit der Schule im Lager.«
»Ausgezeichnet«, sagte Van Veeteren. »Ohne dich schlafe ich so verdammt schlecht.«
»Ich komme aber nicht zum Schlafen zu dir«, sagte Ulrike.
»Ausgezeichnet«, wiederholte Van Veeteren, weil ihm nichts Besseres einfiel.
Polizeipräsident Hiller faltete auf der schweinsledernen Unterlage die Hände und versuchte Blickkontakt zu Reinhart aufzunehmen. Reinhart gähnte und betrachtete ein grünes, palmenähnliches Teil, dessen Namen er irgendwann einmal gewusst zu haben glaubte.
»Hm, ja«, sagte Hiller. »Bin heute Morgen dem Kommissar über den Weg gelaufen ... ich meine, dem Kommissar .«
Reinhart ließ seinen Blick zu einem Benjaminfikus weiterwandern.
»Die Sache mit seinem Sohn macht ihm wirklich zu schaffen. Das musst du wissen. Ist ja auch kein Wunder. Nach den vielen Jahren und überhaupt ... ja, ich empfinde das als eine Ehrensache. Wir müssen den Fall lösen. Der darf uns nicht aus den Händen gleiten. Wie weit seid ihr gekommen?«
»Ein Stück«, sagte Reinhart. »Wir tun, was wir können.«
»Ach«, sagte Hiller. »Ja, daran habe ich natürlich keine Zweifel. Alle ... und ich meine, alle ... müssen das doch so sehen wie ich. Dass das hier eine Ehrensache ist. Und wenn wir aus irgendeinem Grund bisweilen Mörder frei herumlaufen lassen müssen, dann darf uns das mit diesem hier nicht passieren. Unter gar keinen Umständen. Brauchst du weitere Mittel? Ich bin bereit, sehr weit zu gehen ... wirklich sehr weit. Sag einfach Bescheid.«
Reinhart schwieg.
»Du weißt, dass ich mich nie in die operative Arbeit einmische, aber wenn du deine Pläne mit mir diskutieren möchtest, dann bin ich gern dazu bereit. Und Mittel, wie gesagt. Keine Begrenzungen. Ehrensache. Hast du verstanden?«
Reinhart erhob sich aus dem viel zu weichen Besuchersessel.
»Glasklar«, sagte er. »Aber Gleichungen werden wohl nicht mit Panzertruppen gelöst.«
»Was?«, fragte der Polizeichef. »Wie zum Teufel meinst du das?«
»Das erklär ich ein andermal«, sagte Reinhart und öffnete die Tür. »Hab’s ein bisschen eilig, wenn du entschuldigst.«
Jung und Moreno warteten in seinem Zimmer.
»Grüße vom Fifth Floor«, sagte Reinhart. »Der Obergärtner hat schon wieder einen neuen Anzug.«
»War er im Fernsehen?«, fragte Jung.
»Nicht, dass ich wüsste«, sagte Moreno. »Aber
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