Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
sieben Sorgen und acht Kümmernissen, Fischer irgendwann am Vormittag erreicht hatte, hatte diese nicht verraten wollen, wo sie gewesen waren und was sie dort gemacht hatten.
Was Jung im Grunde ja auch nicht sonderlich interessierte, aber trotzdem.
»Wahrscheinlich haben sie eine Bank ausgeraubt«, sagte er zu Moreno, »aber darauf scheißen wir, es reicht auch so schon. Und mit Vera Miller hat es wirklich nichts zu tun.«
Moreno dachte einen Moment nach, dann stimmte sie ihm zu.
Es reichte wirklich.
Edita Fischer war jung und blond und sah ungefähr so aus, wie das von einer Krankenschwester in einer amerikanischen Fernsehserie
erwartet wird. Abgesehen möglicherweise von ihrem leichten Silberblick, aber zumindest Jung fand den einfach nur charmant.
Sie war sichtlich verlegen, weil sie solche Unannehmlichkeiten verursacht hatte. Sie errötete und bat mehrere Male um Entschuldigung, ehe sie sich in dem blassgrünen Gesprächszimmer niederließen, das durch das energische Eingreifen der Stationsleiterin zur Verfügung gestellt worden war. Normalerweise wurde es nur benutzt, wenn ein Patient gestorben war, ließ sie mitteilen, grün hatte angeblich beruhigende Wirkung.
»Herrgott«, rief Edita Fischer. »Das war doch nichts. Rein gar nichts. Liljana hat das gesagt, oder?«
Jung gab zu, dass diese Bemerkung während seines Gesprächs mit Liljana Milovic gefallen war.
»Warum hat sie nicht einfach den Mund gehalten«, sagte Edita Fischer. »Das war doch bloß so eine Bagatelle mitten im Gespräch.«
»Wenn alle den Mund hielten, dann würden wir nicht viele Verbrecher fangen«, sagte Jung.
»Was war das denn für eine Bagatelle?«, fragte Moreno. »Jetzt, wo wir schon hier sitzen.«
Edita Fischer zögerte noch eine Weile, aber sie konnten ihr ansehen, dass sie reden würde. Jung wechselte einen Blick mit Moreno, und beide verkniffen sich weitere Fragen. Warten war genug. Warten und das beruhigende Grün betrachten.
»Es ist über einen Monat her ... oder fast anderthalb.«
»Anfang November?«, fragte Moreno.
»Ungefähr. Ich glaube, ich habe nie so viel geweint, wie, nachdem ich von dem Mord an Vera gehört hatte. Es ist so entsetzlich, sie war so ein fröhlicher, lebendiger Mensch ... Wir rechnen doch nie damit, dass Leuten, die wir so gut kennen, so etwas passieren kann. Wer hat es getan, das muss doch ein Verrückter sein?«
»Das wissen wir noch nicht«, sagte Jung. »Aber das wollen wir ja gerade herausfinden.«
»Hatten Sie auch privat Kontakt miteinander?«, fragte Moreno.
Edita Fischer schüttelte ihre Locken.
»Nein, aber sie war eine wunderbare Kollegin, da können Sie hier alle fragen.«
»Das haben wir schon getan«, sagte Jung.
»Anfang November?«, mahnte Moreno.
»Sicher, ja«, sagte Edita Fischer und seufzte. »Aber Sie müssen einsehen, dass es im Grunde gar nichts war. Liljana übertreibt gern ... kein böses Wort über sie, aber so ist sie eben.«
»Erzählen Sie jetzt«, sagte Jung. »Normalerweise können wir entscheiden, was wichtig ist und was nicht. Aber wir würden gern so viel wie möglich wissen, ehe wir unsere Entscheidung treffen.«
»Natürlich«, sagte Edita Fischer. »Verzeihen Sie. Aber es war einfach so, dass Vera ins Rumford musste.«
»Ins neue Rumfordkrankenhaus?«, fragte Moreno.
»Ja, eine Patientin sollte überführt werden. Das kommt manchmal vor. Eine Frau mit einem Lungenemphysem, im Rumford sind sie dafür besser ausgerüstet. Manchmal schicken wir Leute hin, manchmal kriegen wir welche von denen ...«
»Klingt vernünftig«, sagte Jung.
»Ja«, sagte Edita Fischer. »Das ist vernünftig. Vera hat diese Frau begleitet und den halben Tag im Rumford verbracht. Um sich davon zu überzeugen, dass es der Patientin gut geht ... dass sie das Gefühl hatte, gut versorgt zu werden und so. Vera nahm das sehr genau, deshalb war sie eine so gute Krankenschwester. Als sie nachmittags zurückkam, haben wir zusammen Kaffee getrunken, und ich habe Vera ein wenig aufgezogen. Habe sie gefragt, warum sie so lange geblieben sei, ob es im Rumford vielleicht attraktive Ärzte gebe ... denn das gibt es wirklich.«
Sie machte ein verlegenes Gesicht und riss sich zusammen.
»Viel jüngere als bei uns jedenfalls«, fügte sie noch hinzu. »Ja, und dann hat Vera ebendiese Antwort gegeben. Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.«
»Den Nagel auf den Kopf getroffen?«, fragte Moreno.
»Ja, sie lachte und sagte: Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, Edita.
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