Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
gefährlich«, versicherte Ulrike. »Das wird mir allmählich immer klarer.«
»Hrrm«, sagte Van Veeteren, der wieder auf seinem Stuhl saß. »Prost.«
»Ich erwarte doch unser Kind«, sagte Marlene. »Es kommt mir so entsetzlich unwirklich vor, und ich weiß nicht, wie es später werden wird. Wir hatten doch nicht damit gerechnet, dass wir uns nicht beide um das Kind kümmern könnten.«
Sie seufzte tief und versuchte zu lachen.
»Verzeihung. Es ist einfach so schwer. Danke für die Umarmung.«
»Herrgott«, sagte Van Veeteren. »O Scheiße. Prost. Ich werde mich um dich kümmern, das verspreche ich dir. Um dich und das Kind, meine ich. Hrrm.«
»Das wäre ja auch noch schöner«, sagte Ulrike Fremdli. »Esst jetzt eure Suppe, dann gibt es auch noch ein Stück Fleisch.«
»Deine Eltern«, fragte er eine Stunde später vorsichtig. »Können die dir helfen?«
Marlene schüttelte den Kopf.
»Ich bin das Kind von Süchtigen. Meine Mutter gibt sich alle Mühe, aber eine Hilfe kann sie mir nicht sein. Ich hoffe, ihr glaubt mir, wenn ich sage, dass ich mich selber aus dem Dreck gezogen habe ... das habe ich wirklich. Wir haben es zusammen gemacht, Erich und ich. Obwohl ich manchmal das Gefühl habe, dass man immer eins auf die Finger kriegt, sobald man sich ein wenig aufgerappelt hat.«
»Das Leben ist eine gewaltig überschätzte Geschichte«, sagte Van Veeteren. »Aber es ist besser, wenn man das nicht zu früh entdeckt.«
Marlene betrachtete ihn mit leicht gehobenen Augenbrauen.
»Doch«, sagte sie. »Das ist vielleicht wirklich so ... Erich hat gesagt, dass du noch nie ein großer Optimist warst, aber ich mag dich trotzdem. Ich hoffe, ich darf das auch weiterhin.«
»Natürlich«, sagte Ulrike. »Er hat einen gewissen griesgrämigen Charme. Noch Kaffee?«
Marlene schüttelte den Kopf.
»Nein, danke. Ich muss jetzt gehen. Ich würde euch auch gern mal einladen, aber ihr wisst ja, wie es bei mir aussieht ... obwohl der Ofen inzwischen richtig gut funktioniert.«
»Zu Weihnachten kommst du her«, sagte Van Veeteren. »Und zu Silvester. Jeder nach seinen Fähigkeiten und so weiter.«
Ulrike lachte, und Marlene lächelte. Er fragte sich kurz, wie lange es her war, dass er zwei Frauen gleichzeitig in so gute Laune versetzt hatte. Wahrscheinlich noch nie, dachte er dann. Als sie in der Diele standen, fiel Marlene etwas ein.
»Ach ja«, sagte sie. »Da war noch dieser Zettel ...«
»Was denn für ein Zettel?«, fragte Ulrike und half ihr in den Mantel.
»Ich habe einen Zettel gefunden«, sagte Marlene. »Beim Aufräumen, Erich hat immer Zettel herumliegen lassen ... auf denen standen Uhrzeiten und Namen und Telefonnummern und so.«
»Ach«, sagte Van Veeteren und merkte, wie er innerhalb von einer Sekunde zum Kriminalpolizisten wurde.
»Die Polizei hat ja alle Papiere mitgenommen, die Erich in den letzten Wochen voll gekritzelt hat, aber diesen haben sie nicht gefunden. Der lag in der Küche unter einem Kochtopf. Ich weiß, dass er ihn erst kürzlich geschrieben haben muss, denn hier steht etwas über einen Job, den er an einem der letzten Tage hatte ...«
»Und was steht da sonst noch?«, fragte Van Veeteren.
»Nur ein Name«, sagte Marlene Frey. »Keller.«
»Keller?«
»Ja, Keller. Das ist ja nicht gerade ein seltener Name, aber ich kenne niemanden, der so heißt ... und im Adressbuch steht auch keiner. Ja, das ist alles. Soll ich die Polizei anrufen und ihnen von dem Zettel erzählen?«
Van Veeteren dachte eine Weile nach.
»Tu das«, sagte er dann. »Keller? Keller? Nein, ich kenne auch keinen Keller. Aber ruf trotzdem an, wie gesagt ... melde dich bei Reinhart, sie brauchen alle Hilfe, die sie bekommen können. Hast du die Nummer?«
Marlene nickte. Dann umarmte sie beide, und als sie gegangen war, schien sie ein Vakuum hinterlassen zu haben.
Es war seltsam. Ein großes Vakuum.
»Du wirst Großvater«, sagte Ulrike und setzte sich auf dem Sofa auf ihn.
»Eiwei«, sagte Van Veeteren. »Ich weiß. Hast du drei Tage gesagt?«
»Nächte«, sagte Ulrike. »Am Tag arbeite ich. Zumindest morgen.«
Aron Keller sah den roten Audi am Haus vorbeifahren. Dann sah er, wie der Wagen in der Auffahrt zu Nummer siebzehn hielt. Möglich war das, weil sein Wohnzimmer einen Erker besaß. Und dort stand er. Hier stand er häufig. Im dritten Stock, halb verborgen von den beiden prächtigen Hibiskussen, hatte er einen sehr guten Überblick darüber, was draußen passierte.
Was normalerweise
Weitere Kostenlose Bücher